Stefan Bollmann
Autor von Frauen, die lesen, sind gefährlich
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Reihen
Werke von Stefan Bollmann
Die Kunst des langen Lebens: Eine Anleitung 1 Exemplar
Vordenkerinnen 1 Exemplar
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Wissenswertes
- Geburtstag
- 1958-03-21
- Geschlecht
- male
- Nationalität
- Germany
- Geburtsort
- Düsseldorf, Germany
- Wohnorte
- Munich, Germany
- Berufe
- writer
editor
publisher
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Jugend
Lebenskrise
Erwachsenwerden
Lehre vom Glück
Der Weg zu sich selbst
Liebe
Der Augenblick
Ordnung
Leidenschaft
Der eigenen Kreativität folgen
Goethe nachzufolgen heißt nicht, seinen Weg, sondern unseren ureigenen zu finden. In diesem Buch nähert man sich mit den oben beschriebenen Lebensstationen oder Könnerschaften einem Ziel, dem Goethe bis zu seinem Tod auf der Spur war. Sein tätiges, nachdenkliches, neugieriges Leben war damals eine echte Kunst, die wenigen möglich war. Man musste eher vorgegebenen Mustern folgen und Pflichten erfüllen, um überleben zu können.
Glück ist für Goethe ohne Unglück nicht zu haben, beide bedingen sich, sie müssen von uns zum Ausgleich gebracht werden. Diese realistische Herangehensweise befreit ungemein, lässt einen tief eintauchen in die Nöte und jubilierenden Noten von Goethe. Die Erwartungen anderer abzustreifen und keinen Sachzwängen zu folgen, ohne alles hinter sich zu lassen, immer wissend, dass auch zwischen diesem Ziel und jenen der Umwelt ein Ausgleich geschaffen werden muss, Goethe war ein Lehrmeister dafür, mit Glück auch, aber doch ebenso willentlich geschaffen, eine erste Generation, die mit Beginn der Aufklärung soweit gehen konnte, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen.
„Goethe war ein Avantgardist des eigenen Lebens.“ (S. 16). Seine Jugend bzw. Studentenzeit war problematisch, voller Reibungen. Er musste sich dem Willen seines Vaters beugen und Jura studieren. Trotzdem blieb er immer Literat, Ideenfinder, sein eigenes Ziel innerlich im Blick. Andere hatten weniger Glück, z.B. Karl Philip Moritz, der dem Quietismus seines Vaters folgen musste: d.h. die Austrocknung des eigenen Ichs nach der Mystikerin Jeanne Marie Guyon. Moritz witzelte über sie später: „Als man nach ihrem Tod den Kopf öffnete, fand man Ihr Gehirn wie ausgetrocknet.“
Moritz, der wenig Begüterte, ist ein Kontrast zum Bürgersohn Goethe, beide gehören dieser ersten Generation an, die sich mit Mühe zu befreien versucht von Erwartungen oder Nützlichkeitserwägungen, gekennzeichnet auch durch die Unabwägbarkeiten des 7-jährigen Krieges mit 1 Million Toten, an dessen Ende Goethe 14 Jahre jung ist.
Goethe lebt in der Jugend die Achterbahn der Gefühle, holt daraus tief und hochschwebend Schwung und Antrieb, Erfahrungen für alles Spätere. „Das einzig Beständige ist seine Sprunghaftigkeit.“ Gleichzeitig härtet er sich, seine Probleme bewusst, ab. Exposition nennt man es heute: Goethe steigt immer wieder auf das damals höchste Gebäude der Welt, den Straßburger Nordturm des Münsters. „Dergleichen Qual und Angst wiederholte ich oft, bis der Eindruck mir ganz gleichgültig ward.“
Wie ale andere später hat auch Goethe Schutzmäntel für das eigene, noch unsichere Selbst. Sein Idol damals war insb. Shakespeare. Als er eine erste Seite von ihm gelesen hatte, schrieb er: „Ich erkannte, ich fühlte aufs lebhafteste meine Existenz um eine Unendlichkeit erweitert.“
Und: „nichts ist so Natur wie Shakespeares Menschen.“ Mit Shakespeare beginnt die eigene, unabhängige Natur des Dichters und Denkers Goethe zu wachsen.
Ein wunderschönes Buch, das Goethe in seiner ganzen Kraft auffächert und einen Denker erblühen lässt, der dies sagen kann: „Ich will keine fremden Gedanken, ich habe an meinen eigenen genug und kann mit diesen nicht fertig werden.“ Goethes Haus am Frauentorplan in Weimar war ständig in Bewegung. Goethe liebte es, seine Ausstellungsstücke ständig neu zu gruppieren, um so sich selbst, aber auch anderen immer neue Zusammenhänge zu verdeutlichen. „Gehen Sie geschwind hin, und nehmen Sie noch ein paar Augenvoll, bevor die Suppe kommt“, sagte er z.B. zu Eckermann, wenn Neues zu sehen war.
Sich befreien von unnötigen Hindernissen und sich ganz einlassen auf sich selbst, Goethe war ein Meister der Kunst hin zur eigenen Kreativität, die in seinem Krafzentrum, dem Arbeitszimmer am Frauentorplan, besonders deutlich wird. Dort sind heute 155 Visitenkarten aufgereiht, von Menschen, mit denen er sich in seinem letzten Lebensjahr unterhielt und seine Gedanken tauschte. Goethe war hier in der Mitte an einem großen Schreibtisch tätig, umgeben von einer Tischlandschaft aus kleineren Tischen, Stehpulten und Regalen. Hier durchschritt Goethe seinen Gedankengarten und teilte sich selber mit: Assoziationen und überraschende Verkettungen. „Noch hier im geheimsten Winkel seiner Behausung war er ein Wanderer.“
Reichlich Ideen und Ermutigungsfutter für unseren nächsten Besuch in Weimar! Dieses Buch ist mehr als erkenntnisreich geschrieben: es motiviert und zeigt den inneren Kern eines Mannes, der sich keinen Gedanken an den Tod machen wollte. Er lebte ganz und vollumfänglich jeden Tag. So wie das jeder tun sollte.
(2016)… (mehr)