Gianrico Carofiglio

Die Mafia ist nicht mehr, was sie einmal war. Wahrscheinlich ist sie heutzutage nicht einmal viel mehr als ein aufgescheuchter Hühnerhaufen von Möchtegern-Halbweltlern, die hier und da mal ein wenig erpressen, Waffen schieben, Drogen dealen und bei günstiger Gelegenheit auch schon mal den ein oder andern Mord begehen. Aber das alles scheint nicht mehr so stramm organisiert und tief verwurzelt in der süditalienischen Gesellschaft zu sein, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war.

Oder wie sonst könnte ein "Anti-Mafia-Staatsanwalt" oder "Mafiajäger" die Zeit und vor allem die Ruhe finden, Kriminalromane zu schreiben? Und auch noch ausgerechnet so gute Romane, wie es ein Gianrico Carofiglio zustande bringt. In freiem Fall ist der zweite auf Deutsch erscheinende Krimi des Italieners, der in punkto Qualität deutliche Akzente setzt.
Ein Stalker aus gutem Hause

Guido Guerrieri, der Rechtsanwalt und Protagonist in Carofiglios Romanen, bekommt Besuch von Schwester Claudia, einer ungewöhnlichen und geheimnisvollen Ordensfrau, die ein Frauenhaus außerhalb Baris leitet. Eine der Frauen aus ihrem Heim, Martina Fumai, wird von ihrem ehemaligen Lebensgefährten verfolgt, bedroht und körperlich angegriffen. Sie tut sich allerdings schwer einen Rechtsbeistand zu finden, denn ihr Stalker ist ausgerechnet der Sohn eines ranghohen und einflussreichen Richters. Keiner von Baris Anwälten hat es bislang gewagt, seine Karriere durch eine Klage aufs Spiel zu setzen. Doch Guerrieri scheint von Schwester Claudia verzaubert und nimmt den Auftrag als Anwalt der Nebenklägerin an. (krimi-couch.de)… (mehr)

Carofiglio hat hier mal keinen Anwaltskrimi geschrieben, sondern die Geschichte eines Polizisten, der im ständigen Undercover-Einsatz Drogenkriminalität bekämpft hat und dabei an den emotionalen Widersprüchen und moralischen Zwangslagen beinahe zerbrochen wäre. Der Roman widmet sich der psychotherapeutischen Aufarbeitung.

Das ist Carofiglio gut gelungen, der Prozess des Sich-wieder-findens liest sich spannend, zumal der Hintergrund nur ganz allmählich sichtbar wird, und kommt ohne pathetische Überladung aus.… (mehr)

Der zweite Fall von Guido Guerreri verarbeitet wieder ein gesellschaftliches Problemfeld, nämlich Gewalt gegen Frauen. Martina soll auf Drängen von Schwester Claudia, der Leiterin eines Frauenhauses in der Region Bari, ihren Ex-Lebensgefährten zur Anzeige bringen. Das Problem: Der Mann ist Professor und Sohn eines obersten Richters und fühlt sich daher unantastbar. Noch problematischer: Der größte Teil des Justizwesens von Bari scheint dasselbe zu glauben, außer der Staatsanwältin Alessandra - und Guido.

Das Buch beginnt eigentlich spannend und hat seine durchaus atmosphärischen, poetischen Momente, verliert sich aber dann vor allem in Geschichten rund um Guido Guererri, von denen manche nahe an der Gefühlsduselei vorbeischrammen. Der Fall selbst wird auf gefühlt nur ca. 30 der insgesamt 220 Seiten abgehandelt und erfährt eine schlecht vorbereitete Deus-ex-machina-Lösung sowie ein dramatisches Ende.

Flott weggelesen, sprachlich ok, aber für meinen Geschmack doch etwas flach.… (mehr)

Warum das Buch "Reise in die Nacht" heißt, bleibt im Dunkeln.

Der Roman beginnt im Grunde damit, dass sich die Frau des Protagonisten und Strafverteidigers Guido Guerreri von ihm trennt. Er fällt in ein Loch, welches die Verlogenheit im Privaten und Beruflichen in sein Leben gebohrt hat.

Einige Zeit später übernimmt er die Verteidigung des Senegalesen Abdou Thiam, der des Mordes an einem neunjährigen Kind angeklagt wird. Eigentlich ein aussichtsloser Fall, aber Guerreri übernimmt ihn trotzdem.

Im Grund geht es in dem Roman um die Differenz von Wahrheit einerseits und dem, was uns wahr erscheint, andererseits. Das ist recht gut an dem ansonsten eher konventionellen Fall ausgearbeitet. Zudem ist das Buch wunderbar flott und teilweise sehr humorvoll geschrieben.

Eine schöne Nebengeschichte entwickelt sich mit Guidos neuer Nachbarin Margherita. Ich bin auch deswegen gespannt, wie es weitergeht.… (mehr)