Lea Fleischmann

Die intensive Beschreibung natürlicher Religiosität von Lea Fleischmann hat mich beeindruckt. Wer hilft, wenn keiner mehr hilft? "Menschen brauchen Hilfe. Hilfe kommt nicht von Regierungen, nicht von der Wirtschaft, nicht von den Ämtern und nicht von der Logik." Diese Aussage von Lea Fleischmann hat mich ebenso getroffen wie ihre wunderschönen Umschreibungen der Begegnungen in Deutschland und Israel, die im Lesefluss oft traumwandlerisch hin- und herfließen. Sie zeichnet damit eine vergleichende Darstellung beider Gesellschaften: oberflächlich klitzernd, aber innerlich ausgehölt die eine und tiefergehend glaubend, Kraft für schwertste Kämpfe aus der Religion holend die andere.

Ebenso interessant sind die Beiträge von Chaim Noll. Fasziniert war ich von seiner Umschreibung der sozialistischen Vereinnahmung Goethes in der DDR und seine Entdeckungen antisemitischer Nebensätze im Werk unseres Klassikers. Obwohl er mit seinem Werk den Absturz in die Schlünde des Barbarischen verhindern wollte. Und dieser Satz ist fatal erhellend: Zu den tragischen Nachwirkungen Weimars gehört die Goethe- und Weimar-Begeisterung deutscher Juden. Sie trübte ihr Realitätsgefühl, sogar ihren Überlebenssinn, sie hinderte viele an der rettenden Emigration." Und immer wieder hört Noll auch heute noch diesen Satz: "Wie konnte eine Nation, die einen Goethe hervorgebracht hatte....?"

Brutalster & normaler Alltag, Bombenanschläge, Geschichte und Kultur - wie kann man das Unfassliche dieser beiden Nationen umschreiben? Selten habe ich bessere Annäherungen gelesen. Ein wirklich empfehlenswertes Buch, weitab vom medialen Getöse, wirklich zum Nachdenken und besseren Verstehen geeignet.… (mehr)