David Foster Wallace (1962–2008)

"Wie gelingt einem ein angenehmes, gut situiertes und respektables Erwachsenendasein, ohne dass man....,

... gedankenlos und tagein, tagaus ein Sklave des eigenen Kopfes und der angeborenen Standardeinstellung wird, die vorgibt, dass man vor allem total auf sich allein gestellt ist?"

D.F. Wallace geht es um diese Frage und die Flucht aus egozentriertem Verhalten, dessen Überwindung er als zentrale Aufgabe sieht, um der Trauer des langweiligen Alltages zu entkommen.

Sein Gang nach einem 12 Stunden-Akademiker-Tag nach Hause, dieses Alptraumbild der Routine, alleine dafür müsste man dieses Buch lesen, um die Fragen des Autors ernst, sehr ernst zu nehmen.

"...und im Laden herrscht dieses scheußliche Neonlicht, überall dudelt diese leidige Kaufhausmusik oder Kommerzpop, und Sie wünschen sich ans Ende der Welt...Sie müssen ihren schrottigen Einkaufswagen an denen all der anderen erschöpften, hektischen Leute vorbeimanövrieren, und die Tapergreise bewegen sich im Tempo der Kontinentaldrift, verpeilte Leute und ADHS-Teens blockieren die Gänge, Sie müssen die Zähne zusammenbeißen...."

Genau bei diesem frustrierenden Kleinkram geht es darum, die Arbeit des Entscheidens, des bewussten Denkens einzusetzen. Heute starren viele auf ihr Handy, ich selbst nutze Einkaufen zum bewussten Nachdenken und dankbar sein dafür, dass andere Menschen Regale einräumen und reinigen, die Kassiererin mir die Produkte über das Band zieht. Ich spreche Sie immer mit Namen an. Niemals ist Langweile bei mir, immer Dankbarkeit und Mitgefühl, ein kleines Gespräch mit der Kassiererin wirkt Wunder, sie sind interessiert an guten Büchern, Internetseiten etc. Die angeborene Standardeinstellung dazu wäre, dass wir uns aufregen, weil andere unserem großen Ego keine oder zu geringe Aufmerksamkeit gegenüber zeigen. Weit weg davon wird jedoch bewusstes Denken zu einem Spiel mit dem anderen, ein "In-den-fremden-Schuhen-gehen". Die Leiden einer jungen Kassiererin

"Wenn Sie aber wirklich zu denken gelernt haben und aufmerksam sein können, dann wissen Sie, dass Sie eine Wahl haben. Dann steht es in ihrer Macht, eine proppenvolle, heiße und träge Konsumhölle als nicht nur sinnvoll, sondern heilig anzusehen, weil sie mit einer Energie geladen ist, die Sterne erschaffen konnte - Anteilnahme und Liebe, die unterschwellige Einheit der Dinge."

Die Freiheit wahrer Bildung ist die individuelle Wahrheit, die mir Dinge erleichtert, die sie mir in einen Zusammenhang setzt, voller Sinn und Verstand. Bildung ist die Freiheit zu glauben, was man will und was andere Menschen in Beziehung zu mir bringt, sie die Kränkung des nahenden Todes erträglicher gestalten lässt. Anbetung ist eine Standardeinstellung, sie befreit vom Denken. Andere anzunehmen, sie altruistisch ernst zu nehmen, ist die größtmögliche Freiheit und Abkehr von der Routine. Gedankenlosigkeit, Egoismus und Anbetung töten.

"Wenn Sie ihren Intellekt anbeten und als schlau gelten wollen, werden sie sich am Ende dumm vorkommen, als Hochstapler, dem man jeden Augenblick auf die Schliche kommen wird."

Ein grandioses Buch - kurzer Umfang, aber weite, mitfühlende, menschliche Gedanken - wahre, echte Größe.

8. August 2013… (mehr)

Das ist ein extrem seltsames Buch und ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Einerseits ist es wirklich originell, toll geschrieben, irre scharfsinnig beobachtet. Allerdings muss man 1400 Seiten mit wirrer Handlung auch erst einmal lesen. Und das ist mir schwer gefallen.
Das Buch spielt irgendwann in der Zukunft in der Organization of North American Nations, kurz O.N.A.N., und zwar hauptsächlich in Ennet House, einem Entziehungsheim für Süchtige, und der Enfield Tennis Academy, beides in Boston nahe beieinander gelegen. Es gibt zwei zentrale Figuren, den 17-jährigen Tennis-Star Hal Incandenza und den Ex-Alkoholiker und Ex-Verbrecher Gately. Doch viele weitere Figuren und Handlungsstränge durchziehen diesen Roman, der abrechnet mit Vergnügungswahn, Sucht und Kommerz. Der Autor selbst hat sich das Leben genommen und vor diesem Hintergrund erscheinen die vielen Aussagen zu Selbstmord, Depression und innerer Leere umso eindringlicher. David Foster Wallace hat extrem gut beobachtet, sich selbst und andere seziert. Man kann sich nur vorstellen, was er heute schreiben würde, in Zeiten des Internets, des Smartphones und von Donald Trump.
Obwohl ich mich schwer getan habe, gebe ich vier Punkte. Denn es ist einfach einzigartig.… (mehr)