Karl May (1842–1912)

Man muss sich das vorstellen: Karl May wird als Schüler von einem Seminar ausgeschlossen, weil er den Kerzentalg mitnahm, um seinen Eltern wenigstens zu Weihnachten eine kleine Freude zu bereiten. Er wollte daraus eine Kerze basteln. Damit beginnt eine Laufbahn, die mit zwei Gefängnisaufenthalten starten musste.

Karl May beschreibt sein Leben und insbesondere seine Herkunft aus einer Ärmlichkeit, die sich heute niemand mehr vorstellen mag. Er wird von seinem Vater gefüttert, mit Büchern und Texten, muss abschreiben, repetieren und wiederholen. Sein Vater möchte aus ihm etwas Besonderes machen.

In bitterer Armut sind es vor allem die Geschichten seiner Großmutter, die ihm Richtung geben, unterlegt mit allen Büchern, die sein Vater ihm zuschiebt. Er verliert nie die Güte und Zuwendung seiner Eltern, ist stark von dieser Fülle her und benutzt seine Gefängnisaufenthalte zur Vorbereitung und Sammlung von Ideen.

Trotz Gittern sieht er überall Chancen, gütige Menschen, aber auch hinterhältige Geschäftsleute. Er skizziert den im 19. Jahrhundert zu Tage tretenden Buchhandel, Schundroman-Verleger und die Entwicklung seiner Reiseerzählungen sowie das eigentliche Ziel: die Wege hin zum Edelmenschen und Frieden.

Was mich am meisten beeindruckte: wie kann jemand, der so sehr von seinen Gegnern angefeindet wurde, mit Prozessen überzogen sein ganzes Leben, noch Zeit und Muße finden, eine derartig gewaltige Zahl an Büchern zu schreiben?

Eine wirklich beeindruckende Biografie, die in einigen Bereichen geschönt sein mag, aber doch zum Gesamtbild über Karl May m.E. unbedingt gelesen werden sollte.

"Zehn Jahre lang täglich viermal ganze Stöße von Briefen und Zeitungen erhalten, die von Gift und Hohn und Schadenfreude überfließen, das hält kein Samson und kein Herkules aus. Geist und Seele sind stark geblieben. Mein Gottvertrauen und meine Menschenliebe sind nicht ins Wanken gekommen. Aber meinen Körper, den früher so unverwüstlich scheinenden, hat es endlich doch gepackt. Er will zusammenbrechen."… (mehr)