José Ortega y Gasset (1883–1955)

Der Aufstand der Massen von Ortega y Gasset.

Dieser kleine Band des einflussreichen spanischen eigensinnigen Philosophen beschäftigt sich mit der Problematik, warum die Massen in alles und mit Gewalt eingreifen. Ortegas Masse ist nicht auf das Proletariat begrenzt, mit seiner aristokratischen Haltung macht Gasset die Masse in jeder Bevölkerungsschicht, auch der Elite, aus. Gasset bezieht Position gegen die damalige Untergangsstimmung, die sich beispielshaft in Spenglers Untergang des Abendlandes findet, und bezieht die entgegengesetzte Position, dass sich das „vitale Niveau“ der Zeit in Europa erhöht habe. Um das zu verstehen richtet sich der Blick fälschlicherweise immer nach Amerika, aber das sei eine allein europäische Entwicklung. Nach einer genauen Begutachtung seines Zeitalters knüpft Gasset Gedanken an die Entwicklung der Nationalstaaten und ihr derzeitiges Anstoßen an ihre Grenzen. Der sprunghaften Entwicklung von Zivilisationtechniken hält er eine unterdurchschnittliche Kulturleistung entgegen, die sich darin ausdrückt, dass die Massen niemanden über sich stehen lassen. Er ruft eindringlich in Erinnerung wie leicht die Voraussetzungen der europäischen Kultur verloren gehen können. Das Buch endet mit der Festellung, dass die Entwicklung auf jeden Fall eine bürgerliche sein wird, obwohl dem Bürgertum Schwäche unterstellt wird, wenn sie auch mit einem „Schrei“ einhergeht.

Das Beispiel des Spezialistentums sei genannt, dass sobald einer sich in seinen engen Grenzen eingerichtet hat und mit Mauern umgeben hat, die keiner überwinden kann, der nicht noch mehr Spezialist ist, völlig mit sich zufrieden und fast unangreifbar ist. Diese selbstsüchtige kindische Zufriedenheit, ohne ein Schicksal zu erwarten, und das Funktionieren der Zivilisation, ein Ineindergreifen, obwohl der eine nichts vom anderen oder gar vom Ganzen und der zugrundeliegenden Kultur versteht, beschreibt Gasset als den typischen Aufstand der Massen.

Die Ironie des Buches ist, dass sich Gasset in seiner aristokratischen Haltung gerade als Exemplar des Massenmenschen unfreiwillig zu erkennen gibt.… (mehr)