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Werke von Peter Siebenmorgen

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Andere Namen
SIEBENMORGEN, Peter
Geschlecht
male

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Ich war kein Anhänger, trotzdem hat er mich fasziniert. Franz Josef Strauß war zeitlebens ein Getriebener seiner Intelligenz, seiner großen rhetorischen Kraft. Ein Konservativer im positiven Sinne. In diesem lesenswerten, spannenden Buch erfährt man faszinierende Hintergründe zu einem Urgestein der BRD, seiner Familie und dem politischen Umfeld. Franz Josef Strauß hatte eine fotografisches Gedächtnis, lernte & kombinierte ultraschnell, er schrieb das beste Abitur seines Jahrgangs. Sein Vater war Metzger und hatte sein Geschäft direkt gegenüber von Heinrich Hoffmann, dem Fotografen Htlers, in dem sich damals die Nzis trafen. Aber niemand in seiner Familie war N.zi, der kleine Franz-Josef wurde katholisch konservativ erzogen, eine Position, an der er zeitlebens festhielt. "Immer wieder wird dem Knaben beigebracht, welches Verderben die Nazis, die man lange vor der Machtergreifung in der Schillingstraße ihr Unwesen treiben sehen kann, über Deutschland bringen werden." (S. 34)

Schon der Einstieg des Buches ist einfühlsam, echt geschrieben wie alle anderen Kapitel auch, obwohl man vieles weiß, liest es sich in der Rückschau wie ein Stück Zeitgeschichte, aus dem man viele Kapitel zu kennen meint, aber doch hier erst perfekte Hintergründe dazu geliefert bekommt. Bei seiner Hochzeit ist er Verteidigungsminister und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt muss er das erste schwere Unglück der Bundeswehr (15 Fallschirmjäger ertrinken in einem Fluss) kommentieren und begleiten. Der junge Franz-Josef verdient sich sein erstes Geld mit Nachhilfe, die er je nach Einkommen der jeweiligen Eltern staffelt, ein Vorgehen und eine Fürsorge, das für sich spricht, er verdient so schon vor dem Krieg monatlich 200 Mark und spart für diverse Dinge, u.a. gewinnt er die süddeutsche Rennradmeisterschaft. Er gewinnt durch eigenen Fleiß und Können Selbstbewusstsein, sein Aufstieg in obere Gesellschaftsschichten stemmt er aus eigener Kraft, er lässt sich von niemandem ein X für ein U vormachen.

Auch in der Wehrmacht wird er als Offizier niemals dem Gedankengut der N.zis nahestehen, im Gegenteil. Er wird sogar denunziert und muss sich Verhören unterziehen. Anfang 1940 berichtet er seinem Professor: ' Weihnachten habe ich ruhig verbracht, wie jedes Jahr die Bibel gelesen, diesmal eine englische Ausgabe, und an den Feiertagen das letzte Buch Wiecherts vorgenommen: Das einfache Leben. Der Duft meiner geliebten Brazil Zigarren und reichlich Alkoholika begleiteten die Lektüre, in der ich jenen schönen Satz fand: Ein guter Offizier war jener gewesen und ein guter Kamerad, doch wenn man die Uniform auszog, musste man wohl mehr sein als dies. Das Leben verlangte mehr als ein Kriegsschiff verlangt.'

Ein ganz besonderes Verhältnis hatte er zu seiner acht Jahre älteren Schwester Maria, die ihm zeitlebens zur Seite steht und der er in allen Dingen vertraut. Sie hat ihn ob seines Könnens bewundert und seine Karriere immer unterstützt. Vielleicht ein Ausgleich zu einem sehr strengen Vater und einer Mutter, die zeitlebens hart arbeiten musste, eine Familie von ganz unten, die ihre Träume mit dem Aufstieg ihres Sohnes umsetzen konnte. Dabei wollte der Vater unbedingt, dass Franz-Josef den elterlichen Metzgerei Betrieb übernimmt, nur widerwillig ließ er sich davon überzeugen, dass der Sohn von der Realschule auf das Gymnasium wechseln sollte.

Dieses hervorragende Buch begleitet Franz-Josef Strauß nicht liebedienerisch, sondern vermittelt eine nahegehende, emotionale und realistische Annäherung an die Tiefen und Höhen eines durch und durch politischen, konservativen und sozialen Menschen, der nie frei war davon, auch die Höhepunkte der Macht ganz besonders auszukosten. Er war ein sinnenfroher, katholischer Bayer, der lieber aufrecht verlieren wollte als sich gekrümmt zum scheinbaren Sieg zu wanken. "Auf wen passen jene schaurigen Reime aus einem der verharmlosend "Gesellige Lieder" genannten Gedichte Goethes besser als auch Strauß?' (S. 676):

Du musst herrschen und gewinnen
Oder dienen und verlieren
Leiden oder triumphieren
Ambos oder Hammer sein

In seiner eigenen Betrachtung dürfte Strauss die wohl wichtigste Schlacht seines Lebens verloren haben, aber gerne haben ihn die Mächtigsten der Welt, bis hin zum amerikanischen Präsidenten, auch empfangen, als er bayerischer Ministerpräsident war. Hätte ich mich mit ihm früher beschäftigt, und eben nicht nur aus dem Spiegel etc., dann wäre er mir schon zeitlebens so nahe gestanden, wie dieses Buch ihn mir vermittelte. Ganz hervorragend geschrieben, ich habe es innerhalb von drei Tagen gelesen (677 Seiten)!
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Gekennzeichnet
Clu98 | Mar 4, 2023 |
Wir wissen nicht, wer wir sind. Das ist die deutsche Frage.

Wir lesen zu Beginn im Buch: Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jh. ist es nur zu verständlich (vernünftig und sympathisch obendrein), dass in der Bundesrepublik - alt wie neu - das Deutsche, was auch immer das heißen mag, keine große Bedeutung mehr in der Formulierung und Begründung von Politik gewinnen konnte. Jetzt aber sei Heimatlosigkeit da und man müsse sich schon fragen, was denn deutsch sei. Ja, habe man vielleicht damit übertrieben, jene Parolen zu grölen, hinter denen bekannte Politiker aus dem Herzen Europas herliefen? Herr Gysi meinte gar, dass es doch gar nicht so schlimm sei, wenn es in Zukunft ein paar weniger N. gäbe. Andere Parteipopulisten reden von D. verrecke oder Volkstod.

Liest man bei Herrn Prantl in seinem neuen Buch eine ganze Batterie von wilden Schimpfwörtern, so wird hier der bekannte Ausweg in feinstem Deutsch gesucht, wir lesen viel von genuin, Lohengrin, eingedenk, seitens, Substitut-Identität, belastbar und sonstige Hülsen, ein leiernder Ritt durch die deutsche Diskussion um sich selbst. Fortschritte gab es nur, wenn modernisiert wurde: Bismarck tat das, Adenauer ebenso mit seiner Westbindung und Aussöhnung. Aha, möchte man sagen.

Aber Herr Siebenmorgen kommt nicht ohne jene aus, denen er sein Buch verdankt und sie als ziemlich schwache Seelchen bezeichnet. Welch ein Schwung, wenn man seine Begründung liest, die er aus Nietzsche, wem auch sonst, ableitet und vernichtend darnieder schlägt. Ich hatte gehofft, dass er wenigstens Höcke*s Rede ausspart, aber treffsicher erwähnt er jene ausgesprochene Wende, die jeder heute anfordern musste, wenn man in die Psyche der Deutschen blickt, ebenso wie dies Martin Walser getan hat. Höcke sagte nicht, wir müssten uns diametral abwenden von einer Erinnerungskultur, sondern nur von einer, die Geschichtsvergessenheit in Richtung Vor-33 proklamiert.

Der Autor möchte den Rechten/Neu-Rechten Gegenaufklärung entgegensetzen, sie lächerlich machen, ihnen die Defintionshoheit entziehen. Er lässt dazu den Begriff Abendland erstehen, bei dem, ihm gemäß, doch auch die Sagen des Altertums relevant wären und den Lebensstil der Nächstenliebe macht er von der christlichen Herkunft her als diskriminierendes Merkmal aus. Damit meint er, dem „rassistischen Schafskopf und Fremdenfeind“ alle Argumente zu entziehen.

Deutsche können, da hat der Autor Recht, nur sehr schwer Maß und Mitte finden, sie glauben als einzige noch an die Idee eines Europa der Werte und der gemeinsamen Währung. Weil wir alle davon abhängig seien, Europa zu befrieden und zusammenzubringen. Nicht prinzipiell falsch, aber mit der deutschen Unfähigkeit, Maß und Mitte zu finden, wird dieses Europa scheitern. Denn alle anderen europäischen Länder haben längst aufgegeben und werden sukzessive austreten. Dass der Autor die nationale (deutsche) Identität dann doch nur auf der europäischen Identität der Deutschen aufbaut (sonst wäre nichts da), lässt einen nach dem Buch ratlos zurück. Hier wird nicht gefolgert, sondern hin- und hergesponnen, laviert - so wie es mit der späten Nation Deutschland und dem Hitler-Einschnitt immer war. Man versucht sich über den vermeintlichen Gegner zu positionieren und setzt allem ein multinational sozialistisches Konzept der Nächstenliebe entgegen. Rolf Starnberger sagte: Wir wissen nicht, wer wir sind. Das ist die deutsche Frage“. Leider wird sie in diese Buch nicht erschlossen.

Solange lediglich emotional mit Gesinnungsrhetorik und Ausgrenzungen agiert wird, kann sich nichts ändern. Andere pauschal links oder rechts einzuordnen, ist das große deutsche Dilemma, ohne klare Blickwinkel auf die politische Vernunft. Notwendig ist eine englische Debattenkultur. Bei uns wird in Ermangelung von Argumenten erst auf den politischen Gegner eingedroschen.

Zum Hintergrund: ich habe immer Mitte-Links gewählt, sehe aber die entscheidenden Weichenstellungen aktueller Politik in den Bereichen blindem Pluralismus, zerfallende Patchwork-Gesellschaften und Intoleranz jener, die sich nicht an die christlich abendländischen Werte Deutschlands anschließen wollen, weil sie es von ihrem Grundlagenwerk her nicht dürfen. Wir setzen hier zu wenig Eigen-Bewusstsein entgegen und agieren geschichtsvergessen mit Ausschlusskeulen gegen Links oder Rechts, ein Abarbeiten am politischen Gegner ist allemal leichter als selbst nachzudenken. Dieses Buch trägt lediglich zu einer Polarisierung der jeweils anderen bei und hat nur marginale Inhalte, die Deutschsein erklären.

Jedes Land braucht die Liebe, wenigstens Achtung zu den eigenen Werten, also einen gesunden, erhaltenden Patriotismus, der sich aber nicht über andere erheben will, wie das im Nationalismus der Fall ist. An dieser Wegscheide diskutieren solche Bücher entlang und unterstellen dem politischen Gegner jenen Nationalismus, der sich über andere Länder stellt und andere diskriminiert. Welche Ideologie heute mitten unter uns ist, die das genauso lebt, Herr Siebenmorgen erwähnt nichts davon, er steckt den Kopf in den Sand. Stattdessen werden Gegner keulenhaft lächerlich gemacht.

Herr Siebenmorgen hat eine exzellente Biografie über FJS geschrieben und hätte erwähnen können, welche Aussagen von ihm auch heute noch zutreffen. Einfach nach FJS und Narrenschiff suchen und ihm 1 Minute zuhören bzw. zusehen. Unsere Situation ist damit gut auf den Punkt gebracht.
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Gekennzeichnet
Clu98 | Feb 24, 2023 |

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