Autorenbild.

Antje Rávic Strubel

Autor von Blaue Frau: Roman

17+ Werke 151 Mitglieder 6 Rezensionen

Über den Autor

Bildnachweis: Photo by user Temistokles / German Wikipedia

Werke von Antje Rávic Strubel

Zugehörige Werke

Was ich sonst noch verpasst habe: Stories (2015) — Übersetzer, einige Ausgaben1,762 Exemplare
Blue Nights (2011) — Übersetzer, einige Ausgaben1,595 Exemplare
The White City (2015) — Übersetzer, einige Ausgaben53 Exemplare

Getagged

Wissenswertes

Mitglieder

Rezensionen

Eine junge Frau aus Tschechien spart sich nach dem Schulabschluss durch Jobben im Skigebiet Geld zusammen. Sie geht nach Berlin, macht einen Sprachkurs und beginnt dann in einem entstehenden Kulturzentrum in der Uckermark ein unterbezahltes Praktikum. Dort wird sie von einem deutschen Kulturpolitiker vergewaltigt. Niemand glaubt ihr. Völlig traumatisiert flieht sie nach Helsinki, wo sie den estnischen Wissenschaftler und EU-Abgeordneten Leonides kennenlernt.
Das Buch beginnt in einer Rückblende, als Adina schon in Helsinki ist, springt dann nach Berlin, wo eigentlich erst klar wird, was geschehen ist und geht dann chronologisch zu Ende. Insofern fand ich es vor allem anfangs nicht ganz einfach zu folgen. Die titelgebende blaue Frau kommt immer wieder vor, mal als eine Art Feenwesen, mal aber auch ganz real. Was ist sie? Ich weiß es nicht.
Insgesamt aber gibt das Buch mir viel zu denken. Ich lebe nahe der tschechischen Grenze und habe vielfältige Berührungen mit Tschechien. Was ist das Land, sind die Menschen dort für mich? Das Buch bringt sehr gut heraus, wie marginalisiert im Image oder Status insgesamt die Menschen aus Osteuropa in Deutschland sind. Was überhaupt ist Osteuropa? Wien liegt wesentlich östlicher als Prag, Tschechien gehört weder politisch noch geografisch zu Osteuropa. Wahrscheinlich meinen wir Westdeutschen die ehemaligen Länder des Warschauer Pakts, wenn wir von Osteuropa sprechen.
Wie also denke ich, denken die Westdeutschen über Tschechien im Vergleich zu anderen Nachbarländern, beispielsweise Dänemark oder Frankreich? Fühlen wir uns nah, fühlen wir uns verwandt, vll. sogar verantwortlich?
Wäre Adina das gleiche passiert, wenn sie nicht als Osteuropäerin wahrgekommen worden wäre, sondern aus Italien, Schweden oder England gekommen würde? Es sind viele Aspekte, die zu Adinas Tragödie beitragen: Sie ist jung, sie ist eine Frau, sie ist einsam, und sie kommt aus Tschechien. Hingegen schützt sie ihre Intelligenz, ihre Phantasie und doch auch ihre Jugend.
Das Buch gibt mir zumindest verschiedene Aufträge, zum einen nicht wegzuschauen, zum anderen Europa als Ganzes wahrzunehmen.
… (mehr)
½
 
Gekennzeichnet
Wassilissa | 4 weitere Rezensionen | Feb 26, 2023 |
„Ich frage die blaue Frau, ob es sich nicht umgekehrt verhalte. Ob nicht das Erzählen vor dem Leben geschützt werden müsse, vor dem Gewöhnlichen, dem Vergessen, dem Vergehen der Zeit.“ (Zitat Pos. 1650)

Inhalt
Adina, geboren 1984 wächst in einem Dorf im tschechischen Riesengebirge auf, in einem im Winter von Touristen besuchten Schigebiet. Am 18. September 2006, sie ist einundzwanzig Jahre alt, fährt sie nach Berlin. Sie besucht Deutschkurse, denn sie will Geowissenschaften studieren. Durch die Fotografin Rickie erhält Adina eine Praktikumsstelle auf einem Landgut in der Uckermark. Razlav Stein hat das verfallene Anwesen gekauft und will ein Kulturzentrum errichten. Den Namen Adina kann er sich nicht merken, er nennt sie Nina. Es ist ein Abend mit wichtigen Investoren, der ihr Leben völlig verändert. Sie flieht nach Helsinki, wo sie den estnischen Professor Leonides Siilmann, der sie liebevoll Sala nennt, kennenlernt. Eines Abends nimmt dieser sie auf einen Empfang mit, wo ihre Vergangenheit sie einholt. Wer ist diese junge Frau mit den drei Namen, die sich selbst jedoch „Mohikaner“ nennt und wer ist die blaue Frau, die ihre Geschichte begleitet und die Ilse Aichinger zitiert?

Thema und Genre
In diesem komplexen Roman geht es um die auch nach dreißig Jahren noch bestehenden mentalen und wirtschaftlichen Grenzen zwischen Ost und West, wobei Finnland das Bindeglied ist. Themen sind Gewalt an Frauen, Traumata, das Wegsehen der Gesellschaft, Ausbeutung, und die Lebensumstände der aus Osteuropa stammenden Menschen im Westen.

Charaktere
Die Autorin formt ihre Figuren, sie geht hart und realistisch mit ihnen um. Es geht ihr die tatsächlichen Umstände, Entscheidungen, Handlungen, Befindlichkeiten, die sie genau beobachtet und präzise beschreibt. Adina ist Opfer, weil es die Geschichte einer Frau ist, die durch ein einschneidendes Erlebnis zum Opfer wurde, die Autorin lässt ihrer Hauptfigur keine Wahl für mögliche andere Entscheidungen. Adinas Stärke zeigt sich, wenn der Mohikaner auftaucht, der in ihrer Jugend irgendwann plötzlich da war, eine Art Alter-Ego und ihr vierter Name.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte beginnt in Helsinki, wir folgen Adina als Mittelpunkt der personalen Erzählform, sehen durch ihre Augen die Umgebung, die Gegenstände ihrer Wohnung, aber auch Helsinki und die weiteren Orte der Handlung, immer wieder die genauen Beobachtungen der Natur, der Bäume, präzisiert durch Licht und Schatten. Sie erinnert sich an die Zeit mit Leonides, den sie gerade verlassen hat. Der zweite Teil geht in der Zeit zurück und schildert Adinas Ankunft und Neubeginn in Berlin. Es folgt der dritte Teil mit den Ereignissen in dem Landhaus an der Oder, der vierte Teil beschreibt ihren Weg aus der Uckermark bis nach Helsinki und verbindet sich hier mit der Gegenwart. Ergänzt wird die Geschichte durch Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend. In einem eigenen Erzählstrang taucht immer wieder die blaue Frau auf, sie trägt einen hellen Mantel und ein blaues Tuch. „Wenn die blaue Frau auftaucht, muss die Erzählung innehalten.“ (Zitat Pos. 146). Die Momente dieser Begegnungen werden von einer Ich-Erzählerin geschildert. Die Autorin überlässt es uns Lesenden, diese Figur zu interpretieren, für mich ist es die Idee zu diesem Roman, zur Figur der Adina und zum gesamten Schreibprozess.

Fazit
Ein vielschichtiger, packender Roman mit brisanten aktuellen Themen, mit spannenden Varianten der Erzählperspektiven, mit trotz kleiner Längen sprachlich beeindruckenden Schilderungen, der nachdenklich stimmt und einige wichtige Aspekte der eigenen Interpretation der Lesenden überlässt.
… (mehr)
 
Gekennzeichnet
Circlestonesbooks | 4 weitere Rezensionen | Sep 25, 2021 |
Eigentlich hat der 25jährige Student Erik aus Deutschland
nur sechs Stunden Aufenthalt als er von Gotland auf eine
vor gelagerte Insel fährt. Dort lernt er die 42jährige Inez
kennen, eine spröde Ornithologin, in die sich der junge
Student verliebt. Seine Liebe wird erwidert und so zieht
Erik unter dem Vorwand eines Praktikums in den Leuchtturm
ein. Dort wohnt bereits ein rotblonder Mann, ein
konspirativer unsympathischer Typ, den Inez von früher
kennt, aus der DDR. Auch Erik stammt ursprünglich aus der
DDR. Felix Ton, ein weiterer Protagonist, die Jugendliebe
von Inez, früher liniengetreuer DDR-Bürger, wagt nach der
Wende eine politische Karriere in der Bundesrepublik, bei
der Inez ihm in die Quere kommen könnte, denn sie weiß
zuviel...Ein beeindruckender, stimmungsvoller und
spannender Roman, der Autorin (Jg. 1974), die selbst in
Potsdam aufwuchs. Eine Vergangenheitsbewältigung vor der
schwedischen Idylle, der Abgeschiedenheit einer Vogelinsel,
die ihres Gleichen sucht.
LeseprobeS. 238ff Es war ein schönes Portemonnaie...
… (mehr)
 
Gekennzeichnet
Cornelia16 | Oct 17, 2011 |

Auszeichnungen

Dir gefällt vielleicht auch

Nahestehende Autoren

Statistikseite

Werke
17
Auch von
5
Mitglieder
151
Beliebtheit
#137,935
Bewertung
3.9
Rezensionen
6
ISBNs
33
Sprachen
5

Diagramme & Grafiken