Joachim Zelter
Autor von Der Ministerpräsident
Über den Autor
Bildnachweis: Yvonne Berardi
Werke von Joachim Zelter
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Wissenswertes
- Geburtstag
- 1962-08-26
- Geburtsort
- Freiburg im Breisgau, Deutschland
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Rezensionen
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- Werke
- 15
- Mitglieder
- 69
- Beliebtheit
- #250,752
- Bewertung
- 3.9
- Rezensionen
- 3
- ISBNs
- 32
- Sprachen
- 3
Die dabei auftretenden Verwicklungen haben mich mehr als amüsiert. Dieser Roman ist ein Feuerwerk höchster Unterhaltung auf kabarettistisch witzig bis literarisch hochwertigem Niveau. Ohne etwas von der Spannung vorwegnehmen zu wollen, kann ich feststellen, dass alle Füll-, Dehn-, Wohlfühl-, Beruhigungs- und Nachhall-Wörter trefflich ausgewählt wurden und man im Grunde am Schreibtisch eines Redenschreibers mit-lesen kann. Der arme MP ohne Gedächtnis muss diese Worte und wohlgespreizten Satzhüllen alle aufsprechen, die dann von einer Tonmeisterin und seinen Redenschreibern zu gehaltvollen Ansprachen gedrechselt bzw. zusammengeschnitten werden.
Überraschenderweise hat der MP sein hopriges, schießend-zischendes Schwäbisch verloren und spricht jetzt ein angenehmes Hochdeutsch. "Früher sei mein Sprechen ein Unding gewesen. Ein hölzernes Stakkato. Ein ständiger Fehlklang und Fehltakt. So als wären die Sätze vor sich selbst davongelaufen. Jeder Satz eine Flucht. Oder ein gehetztes Stolpern. Ein rastloses Zuendebringen; in sich überschlagender Unbeholfenheit. So habe das geklungen. Verwaschen, verkrampft und gepresst. Rechthaberisch und kleinlich. Auf jeder Kleinigkeit insistierend. Ein Sprechen, das von Satz zu Satz hastete, ganze Sätze verschluckend, vor lauter rechthaberischer Eile und gehetzter Rechthaberei."
Die köstlich befremdlichen Äußerungen des MP, wenn er die neuen Wortkaskaden interpretieren möchte, sind genial. Der Trick, um den hinkenden MP vor seinem Wahlvolk wieder Dynamik zu verleihen, ist, ihn Rennrad fahren zu lassen, damit der Partei ein "hinkender Offenbarungseid" erspart bleibt. Er fährt damit sogar auf die Bühne, so dass er nur noch einen Schritt zum Rednerpult hat, an dem er dann seinen Mund still auf und zumacht, während die Rede "abgespult" wird.
Der engste Mitarbeiter des MP (März, sein unerbittlicher Trainer) vergleicht Blutwerte mit Umfragewerten, er entwickelt den gedächtnis- und verständnisleeren MP zu einer Sprechmaschine, die rhetorische Mühen auf sich nehmen muss: so lässt er ihn das A so klar und schön wie bei "Abraham a Sanct Clara" trainieren und der fette Parteifreundfeind darf sich - Mann neben Mann - in der Klinik auf höchstem Trainingsniveau auf einem Fahrrad mit dem MP unterhalten. Dies schafft der Beleibte nicht lange und muss erkennen, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist.
Der Roman treibt mit dem Wahlkampf einem Höhepunkt zu, den man mit Spannung erwartet. Schon lange nicht mehr habe ich neben Unterhaltung so viel feinsinnig schärfend Bissiges gelesen, über Politiker, ihre Worthülsen, Berater und das entfremdete Leben voller Feindschaften und Freudlosigkeiten. Konzeptionell lebt der Roman von diesem entrückten Leben in der Projektion auf die Sehnsüchte, die der gedächtnisvergessene MP auf das ganz einfache Leben hat.
Sehr gelungen, höchst amüsant.… (mehr)