Der Winterpalast ist kein großer, historischer Roman. Er fokussiert zu wenig die übergeordneten, politischen Strömungen des beschriebenen Zeitausschnitts, auch wenn der Prolog dies möglicher Weise erwarten lässt. Die Autorin lässt ihre Protagonistin, die in der Rückschau ihre Erinnerung an ihre Zeit als "Zunge", als Spionin am russischen Zarinnenhof beschreibt, einen anderen Fokus setzen, der aber ebenfalls interessant ist. Barbara, Waisenkind polnischer Abstammung gelangt in den Hofstaat des Winterpalasts von Zarin Elisabetha, fast gleichzeitig mit der jungen deutschen Prinzessin, welche als Ehefrau des Großfürsten und Tronfolgers Peter (dem späteren Zar Peter III)auserkoren wurde. Barbara, heimlich ausgebildet als Hofspitzel, entwickelt eine tiefe Zuneigung zu Sophie (der späteren Katharina der Großen) und empfindet diese Freundschaft als erwidert. In den folgenden Jahren dient sie den Interessen der Freundin treu im Verborgenen und unter großen Risiken für sich und ihre Familie. Sie treibt die Vision von einem Russland unter einer gerechten Zarin (Katarina) und ihrer Position am Hof als geschätzter Vertrauten und Freundin der Herrscherin an. Als Katharina durch einen Putsch, maßgeblich unterstützt von Barbara, Zarin wird, brechen die Hoffnungen Barbaras in sich zusammen. Sie muss erkennen, dass sie für Katharina stets nur ein Instrument zur Verfolgung ihrer eigenen Ziele war und muss ihre Konsequenzen aus dieser Enttäuschung ziehen.
Freundschaftliche Hingabe vs. egozentrischer Instrumentalisierung, das ist ein spannendes Thema und es wird in dem Buch neben dem üblichen historisierenden Hof-Kitsch recht ausführlich entwickelt. Wie gesagt, kein großer Roman, keine echte literarische Herausforderung für die Leserin, aber eine unterhaltsame, leichte aber anregende Krankheitslektüre, die nie in die Niederungen des Nora-Roberts-Niveaus abrutscht. ( )