Man hat ja immer wenige Zeilen, in denen alles gesagt sein muss. Für diesmal aber, da würde man sogar ganz locker mit 2 blossen Interjektionen auskommen: brillant! kaufen! Die Kanadierin Munro schreibt sich mit ihren streng minimalistisch durchkomponierten Kurzgeschichten in die einsamen Höhen einer Kunst, die wenig von literarischer Konkurrenz und wohl gar nichts von mäkeliger Kritik weiss. 4 wunderbare Proben dieser Meisterschaft nebst schönem Nachwort von Judith Hermann versammelt der vorliegende Band; wer sich hier auf den Erzählstrudel einlässt, rückt auf Augenhöhe mit (vornehmlich weiblichen) Figuren, deren äussere Konflikte (Liebe, Selbstbehauptung, Unabhängigkeit) sich genauso überraschend entwickeln wie ihr Innenleben. Dieses Buch ist ein Geschenk, das Bibliotheken ihrem weiblichen Publikum machen sollten Alice Munro ist die Meisterin der Ambivalenz. Komik und Tragik, scheinbar Alltägliches und Schicksalhaftes oszilliert in ihren Geschichten in immer neuer Intensität, die den Leser nie unberührt lässt. Wie alle Geschichten der Autorin haben auch die vier Erzählungen dieses Bandes eine unheimliche Unterströmung; sie spielen mit der Irritation von Zeitverschiebung und Perspektivwechsel, locken den Leser mit Andeutung und Aussparung in das Reich dunkler Ahnungen.