Auf über 1200 Seiten wird alles über moderne Betriebssysteme gesagt. Aber eben aus der Sicht von Minix-Urgestein Andrew S. Tanenbaum. Das Buch ist ein echter Hammer, aber dem gestandenen Informatiker, der mehr als 30 Jahre "im Geschäft" ist, fallen doch einige Fehler und äußerst mutige Behauptungen auf. Im Kapitel 1.5 Betriebssystemkonzepte wird auch auf die Geschichte der Entwicklung von Hardware und Software eingegangen und es fällt auf, daß nicht sehr genau recherchiert wurde. Vieles scheint aus Wikipedia "erinnert" worden zu sein, ohne zu den Quellen vorzudringen. Tanenbaums Schreibstil ist an einigen Stellen für ein solches Buch, das wissenschaftlichen Anspruch erhebt (Umfang, Verlag, Preis), oft zu ausschweifend und unpräzise. Vielleicht ist das aber auch dem Übersetzerteam anzulasten, daß wohl - wenn man dem Vorwort der deutschen Ausgabe glaubt - unter höllischem Zeitdruck gearbeitet hat. Man merkt es an einigen Stellen überdeutlich. Aber insgesamt ein empfehlenswertes Buch, das nur wenige Fragen offen lässt, wenn man sich einen umfassenden Überblick und weitgehende Detailkenntnisse aneignen will. Wer aber auf dem neuesten Stand der Entwicklung sein will, kommt nicht umhin, sich (auch) anderweitig umzusehen. Die umfassende Darstellung von Symbian OS zeigt, wie schnell die aktuelle Entwicklung in der Computerbranche so manches "neue" Buch ganz schnell alt aussehen lassen kann. Das Betriebssystem Android wird mit keinem einzigen Wort erwähnt. Na ja, es ist ja eigentlich ein "kommerzialisiertes" Linux. Also wollen wir doch mal nicht so streng sein ...
Und die Linux-Textkonsole wird nicht durch das X-Window-System erzeugt. Wirklich nicht. Aber wer ein solches Buch kauft, lächelt nur über solche plumpen (Übersetzungs?)-Fehler, zu finden auf Seite 35.
Einem verbissenen Linguisten wie mir geht es allerdings gegen den Strich, daß permanent statt Benutzer-Oberfläche "Benutzungs-Oberfläche" geschrieben wird. Bin ich zu streng? Meinungen dazu bitte.