Autoren-Bilder
2 Werke 3 Mitglieder 1 Rezension

Werke von Jörg Armbrüster

Getagged

Wissenswertes

Für diesen Autor liegen noch keine Einträge mit "Wissenswertem" vor. Sie können helfen.

Mitglieder

Rezensionen

Einfach unglaubliche Geschichten von Auswanderern aus Deutschland der 30er in den Melting Pot Israel, aber auch um Wiederkehr geht es. Dieses Buch fasziniert durch eindrücklich mitfühlende Erzählungen von Menschen auf der Flucht, denen Jörg Armbruster durch Überlebende bzw. noch lebende Angehörige ganz nahe kommt, ihnen die Probleme und Erkenntnisse ab-liest und niederschreibt.

Israel war zu Beginn auf Gemeinschaft ausgerichtet, es stand unter britischem Schutz, festgemacht am sozialistisch-zionistischen Kibbuzim, aber es wird heute abgelöst durch die weltweit verbreitete Besitz- und Gewinngier, so eine der hier erzählten Sichtweisen. Man taucht tief ein in die Zeit von damals, als Auswanderer z.B. in Haifa nach der Flucht aus Deutschland konnte man erleben, dass eine Straße wieder mit Hakenkreuzfahnen geschmückt war: durch die pietistischen Templer (Palästinadeutsche), später nach Australien verbracht. Nicht zu verwechseln mit dem älteren Templerorden. Kirchliche Lehrsätze werden bei den Templern als weniger zentral betrachtet, Dogmen zur Dreifaltigkeit, Erbsünde und zum Erlösungstod Jesu werden zum Teil strikt abgelehnt. Jesus dient(e) als Lehrmeister, ein von Gottes Geist beseelter Mensch, ein nachahmenswertes Vorbild des Gottvertrauens und der Nächstenliebe.

Die jüdische Gemeine aus Relingen bei Horb macht sich auf, um ein Dorf am Meer, im Norden Israels aufzubauen: Shavei Zion. Es hört sich heute als Erfolgsgeschichte an, damals aber war es kriegerisch und kompliziert, fehlende Strukturen, aggressive arabische Nachbarn, der Weltkrieg, der Ort ist auf Selbstschutz bzw. Verteidigung angewiesen, man ahnt mit welcher Gefahr Israelis bis heute leben müssen. Die damals vorhandenen Aversionen gegen deutsch sprechende Juden, ihre osteuropäischen (meist weniger gebildeten) Brüdern und Schwestern, eine neue Nation zu bauen, mit unterschiedlichen Kulturen, eine sehr komplizierte Angelegenheit, die JA bestens zergliedert und erklärt. Man ist dabei im Hafen von Haifa, als Flüchtlinge (die damals keinesfalls alle einreisen durften) weitertransportiert werden sollen nach Mauritius. Das Schiff (Patria) wird gesprengt, 270 Juden sterben, soeben dem Holocaust entkommen, ertrinken, weil die zur Rettung geplante Bombe zu groß dimensioniert war. Damals wie heute waren wenige Länder bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die Konferenz in Evian ist dafür ein trauriges Beipspiel.

Deutsch als Sprache wollte damals niemand hören, alle sollten Hebräisch lernen, man erhält (als deutscher) Jude immer wieder öffentliche Hinweise, sich in der Öffentlichkeit mit der deutschen Sprache zurückzuhalten. Man stand unter kritischer Beobachtung und wurde mit Misstrauen beäugt. Die Frage „ Kommst Du aus Überzeugung oder aus Deutschland“ war eine gängige Ansage!

Dass Deutschland heute für viele Israelis wieder ein Sehnsuchtsort darstellt, insb. Berlin, war nicht vorauszusehen und ist keinesfalls selbstverständlich. Viele solcher persönlichen Begegnungen waren notwendig, um so weit zu kommen und von Versöhnung reden zu können. Dabei spricht man ganz offen über die Faszination Deutschland, deren Grund auch darin besteht, genauer verstehen zu wollen, was damals passiert ist.

Eine der Rückkehrerinnen nach Berlin sagt dies: „Eines wisse sie genau: Misstrauen und Hass gegen die Araber seien inzwischen allgegenwärtig in Israel. Auch aus diesem Grund würden so viele nach Berlin gehen.“ Und eine Mutter empfiehlt ihrer Tochter, aber keinen Davidstern offen über der Bluse zu tragen. D.h. man gibt sich auch hier nicht offen zu erkennen, im Berlin des Jahres 2016/17 - man muss solche Zeilen mehrfach lesen. Ob der Holocaust nochmals geschehen kann? Ja und nein, es ist alles möglich. Traurig hört man zu und versteht das Zerrissensein geradezu körperlich mit.

Können wir uns wirklich vorstellen, was es heißt zu wissen, dass die Flugkörper der Schiitenmiliz Hisbollah vermutlich nicht einmal 50 km von Haifa entfernt, verbunkert unter libanesischer Erde, abschussbereit auf das Zentrum der Stadt gerichtet sind? Bedrohungen in Israel sind auch deswegen real, weil alles schon geschehen ist an Grausamkeiten, die man sich bei uns nicht mehr vorstellen kann.

JA betont, dass viele Überlebende der Shoa nur solchen Politikern vertrauen, die Wehrhaftigkeit versprechen. Die Angst, dass man sie, das kleine Volk Israel, wieder vernichten möchte, ist bei Israelis verbreiteter als wir in Deutschland uns das vorstellen können. Eine Interviewpartnerin von JA sagte: „Heute wachsen unsere Kinder auf mit Hass. Und die Kinder der Palästinenser wachsen auf mit Hass. Da kann ja kein Frieden entstehen.“

Geschichte wiederholt sich und Kulturen reiben sich grausam aneinander, wenn nicht klare, deutliche Grenzen gezogen werden. Das bleibt in mir nach diesem hervorragenden Buch zurück.

Trotzdem: Israel ist heute das einzige Land im Nahen Osten mit funktionierender Demokratie, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind, Minderheiten geschützt und keine Religion diskriminiert wird. Viele Muslime haben diese Vorteile inzwischen erkannt und leben gerne dort. [[ASIN:310002446X Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen]]
… (mehr)
 
Gekennzeichnet
Clu98 | Feb 24, 2023 |

Statistikseite

Werke
2
Mitglieder
3
Beliebtheit
#1,791,150
Bewertung
½ 3.5
Rezensionen
1
ISBNs
2