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Rezensionen

Vor einiger Zeit habe ich auf Bayern 2 einen Beitrag über Sizilien gehört, in dem dieses Buch als eines der besten Bücher über Sizilien gewürdigt wurde. "Der Leopard" ist das einzige Werk von Giuseppe Tomasi, Fürst von Lampedusa, ist jedoch erst nach seinem Tod berühmt geworden, in vielen Auflagen erschienen, in viele Sprache übersetzt und von Visconti verfilmt.
NDR-Kultur beschreibt: „"In diesem Roman", schrieb Lampedusa in einem Brief, "wird es um vierundzwanzig Stunden aus dem Leben meines Urgroßvaters gehen, um den Tag, an dem Garibaldi auf Sizilien landete." Es ist der 11. Mai 1860. Garibaldi, die Symbolfigur der italienischen Einigungsbewegung, landete mit tausend Freischärlern bei Marsala und besiegte die bourbonischen Truppen. Das handstreichartige Unternehmen verändert von einem Tag auf den anderen die politische Landkarte Italiens. Gerade noch in zahlreiche Kleinstaaten und Fürstentümer zersplittert, erglüht das Land im patriotischen Feuer des Risorgimento. Die Herrschaft der alten Mächte stürzt, und Italien schließt sich im Zeichen des Liberalismus zusammen. Auch Sizilien wird von dieser Bewegung erfasst, aber in einer zwiespältigen und widersprüchlichen Weise. Auch nach der Einigung Italiens bleibt es bestimmt von seiner geographischen Randlage, seiner insularen Existenz, seiner ökonomischen Unterentwicklung und sozialen Deformation, kurz, von seiner historischen Verspätung.“
Doch das Buch ist weit mehr als eine Darstellung dieser Historie. Sie wird versinnbildlicht an der eigentlichen Handlung: Der geliebte Neffe des Fürsten heiratet die Tochter des Emporkömmlings Calògero. Das wird mit feinem Humor und wunderbarer Beobachtung erzählt. Jener Neffe Tancredi „schlägt sich auf die Seite des "neuen Italien", das heißt auf die Seite der neuen Aristokratie des Geldes, die an die Stelle der alten Aristokratie des Blutes getreten ist.“, so heißt es in NDR-Kultur. Und dieser Wandel wird in vielen kleinen Anekdoten und Begegnungen aus der Sicht des alten Don Fabrizio geschildert. Dabei bleibt leises Lächeln nicht aus, denn der sprachgewaltige Autor findet wunderbare Bilder für die „neue Zeit“. Wegen des Ehevertrags müssen sich Calògero und Don Fabrizio immer wieder treffen und der Autor schildert wie nach und nach die Adeligen versuchen, die neue Verwandtschaft irgendwie zu integrieren, und sei es nur ins Weltbild: „Viele Probleme, die dem Fürsten unlösbar schienen, wurden von Don Calògero im Handumdrehen gemeistert; da dieser frei war von den hundert Fesseln von Ehrenhaftigkeit, Anstand und auch guter Erziehung, Fesseln, die den Taten vieler anderer Menschen abgelegt sind, schritt er im Walde des Lebens vorwärts mit der Sicherheit eines Elefanten, der. Bäume entwurzelnd und Hütten niederwuchtend, geradeaus weiterstampft und die Dornenkratzer und die Schmerzensschreie derer, die er mit Füßen tritt, nicht einmal gewahr wird.“
Natürlich kann nur der Fürst selber so argumentieren, denn auch die Aristokratie ist weit genug entfernt von denjenigen, die sie ggf. niederwalzt. Am Ende bleibt den Nachkommen nur die Flucht in den Schoß der Kirche - auch sie aber letztendlich eine Enttäuschung.
Ich finde das Buch großartig, gerade auch die Schreibweise, die immer wieder Bezüge zur Jetztzeit herstellt (Angelica betritt den Raum „an Wirksamkeit der Regie geradezu dem Kinderwägelchen von Eisenstein vergleichbar“) symbolisiert die Distanziertheit des Nachgeborenen gegenüber den damals erschütternden Ereignissen.
Auf jeden Fall ein Lesetipp, ich bin froh es gelesen zu haben!½
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Wassilissa | 150 weitere Rezensionen | Nov 16, 2018 |