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Rezensionen

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Als der bekannte katholische Priester und Autor Henri Nouwen in Deutschland eine Zirkusvorstellung besucht, erlebt er etwas Sonderbares. Die Einlage der Trapezkünstler rührt etwas in ihm an. Er versteht nicht, was ihn derart fasziniert, doch am nächsten Tag ist er pünktlich zur nächsten Vorstellung in der Manege, und etwas zögerlich spricht er außerdem eine der Artisten an. Aus diesem ersten Kennenlernen entsteht eine tiefe Freundschaft, die bis zu seinem unerwarteten frühen Tod anhält.

Immer wieder besucht Henri seine neuen Freunde. Enthusiastisch löchert er sie mit Fragen. Er reist mit ihnen und nimmt an ihrem Leben teil. Er möchte zu gern ein Buch über das Erlebte schreiben. Er ist sicher, dass sich hier ein ungeheuer wichtiges Thema verbirgt. Es ist zum Greifen nah, doch er kann es nicht ganz fassen.

In den fünf Jahren bis zu seinem Tod, bewegt ihn der Gedanke an dieses ungeschriebene Buch. Er macht Notizen, beginnt mit dem Schreiben, spricht mit Freunden und Verlagsleuten, doch nie ist er ganz zufrieden mit dem, was er erschafft. Doch in diesem Suchen und Ausprobieren, kommt er dem Geheimnis des Fliegens, des Loslassens und des Gefangenwerdens immer näher, und er entdeckt tiefgründige Parallelen zum Glauben. Er spürt mehr und mehr, dass geistliche Wahrheiten und Antworten auf die quälenden Sehnsüchte in seinem Inneren in diesem Trapezakt stecken.

Dieses Buch wurde von einer guten Bekannten Henri Nouwens aus Tagebuchaufzeichnungen, Schreibversuche und Notizen zusammengestellt. Dabei bilden die letzten Stunden vor seinen Tod den Rahmen der Erzählung. Gedanklich geht Henri auf eine Reise zurück zu früheren Erlebnissen, vor allem zu seinen Begegnungen mit den Trapezkünstlern, doch auch zu einem Marsch der Bürgerrechtsbewegung, ebenso zu Freundschaften, Reden und Ehrungen.

Die Autorin verwebt geschickt Quellenmaterial mit ergänzenden Informationen. Dabei lernt man beim Lesen viel über die Persönlichkeit Henri Nouwens und versteht besser warum er der „verwundete Heiler“ genannt wird. Manches ist unerwartet, und ich persönlich stimme nicht allem zu, aber das bin ich bei Henri Nouwen bereits gewohnt. Das Reizvolle an diesem Buch sind die vielen Gedankensplitter, die zum Denken anregen. Im Mittelpunkt stehen dabei Themen wie Vertrauen und Loslassen, und das sichere Gehaltensein bei Gott, auch im Tod.

Fazit: Eine gelungene, ungewöhnliche Mischung aus Erzählung, autobiographische Notizen und geistlichen Einsichten, mit einem aufregenden Blick auf das Zirkusleben. Sehr empfehlenswert, vor allem für Menschen, die mehr über das Leben von Henri Nouwen erfahren möchten.
 
Gekennzeichnet
strickleserl | Mar 21, 2023 |
Henri Nouwen ist auch heute, lange nach seinem Tod, als bedeutender geistlicher Schriftsteller bekannt. Seine Hauptthemen sind Liebe und Barmherzigkeit. Und er weiß, wovon er spricht, denn der holländische Priester und Psychologe war selbst ein Dienender. Mit 53 Jahren verließ er eine angesehene Stelle als Dozent in Harvard, um sich einer Arche-Gruppe in Kanada anzuschließen, einer Lebensgemeinschaft, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben.

Das ist eine große Umstellung für den verkopften Professor. Neben seiner Tätigkeit als Seelsorger wird ihm nämlich ein junger Mann zugeteilt, den er zwei Stunden am Tag versorgen soll. Adam spricht nicht, er kann nicht selbstständig essen, laufen oder sich anziehen. Der unbeholfene Intellektuelle fühlt sich vollkommen überfordert. Er hat Angst Adam zu verletzen oder etwas falsch zu machen. Angespannt beginnt er mit der Arbeit; zum Glück gibt es viele Menschen in der Lebensgemeinschaft, die ihm bei der Pflege mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Es vergehen Monate bis Nouwen sich an seine neue Aufgabe gewöhnt. Doch schließlich merkt er, dass diese zwei Stunden der Pflege zur wichtigsten Zeit seines Tages geworden sind. Andächtig versorgt er Adam, dabei wird ihm immer mehr klar, dass er bei dieser Aufgabe selbst den größten Gewinn hat. Denn er erkennt in dem hilflosen Adam Jesus. Das ruhige Wesen dieses eingeschränkten Mannes verändert auf tiefgreifende Weise das Leben Nouwens und vieler anderen.

Nouwens Wunsch eine leicht verständliche Erklärung zum Glaubensbekenntnis zu schreiben nimmt mit dem Tod Adams Gestalt an. Er sieht im Leben und Sterben seines Freundes ein Bild für unseren Glauben an Christus. So vergleicht er in diesem Buch die einzelnen Stationen im Leben von Adam mit dem Leben von Jesus. Denn, „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Diese wunderschöne Liebesgeschichte zeigt, wie Nouwen von seinem stummen Lehrer Adam lernt, was es heißt von Gott geliebt zu sein. Adam kann nach menschlichen Maßstäben nichts bieten, er ist sogar in den Augen vieler eine Last. Und doch drückt sein Leben die befreiende Botschaft aus, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, und darum wertvoll. Nouwen macht in diesem Buch sehr deutlich, wie wichtig es ist von den Schwächsten in unserer Gesellschaft zu lernen, und wie lebensverändernd der Umgang mit ihnen sein kann.

Als evangelikale Christin sind mir manche Gedanken dieses katholischen Priesters fremd, doch das kann ich als andere Glaubenserfahrung stehen lassen und mich von den Gedanken herausfordern lassen, die in meiner Denkweise zu kurz kommen – das Wertschätzen von jedem Menschen, unabhängig von Stellung, Nationalität, Aussehen, Status, Intelligenz oder sonstigen Merkmalen, die uns oft so wichtig sind. Dieses Buch stellt mich in Frage: Nehme ich die Worte Jesu wirklich ernst, dass ich im Dienst am Geringen in Wirklichkeit ihm diene? Bin ich bereit meine übernommenen Einstellungen darüber, was einen Menschen wertvoll macht, zu überdenken?

Fazit: Die berührende Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft: Ein gelehrter Professor lernt Entscheidendes über Jesus von einem Mann mit starken Einschränkungen. Sehr empfehlenswert!
 
Gekennzeichnet
strickleserl | Nov 2, 2022 |
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