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Liebe Bürgerinnen und Bürger, der stetige gesellschaftliche Wandel vollzieht sich natürlich auch in den extremistischen Szenen, sodass die Bedrohungen für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht weniger, sondern komplexer und vielfältiger werden. Besonders in Zeiten, in den Extremisten auf unterschiedlichen Wegen so viele Menschen erreichen, ist ein Frühwarnsystem "Verfassungsschutz" umso wichtiger. Denn der Verfassungsschutz informiert die Öffentlichkeit nicht nur über die Entwicklungen der einzelnen extremistischen Szenen. Unsere Analysen spiegeln ebenso die Ausbreitung extremistischer Tendenzen innerhalb der Gesellschaft. Rechtsextremismus : In der rechtsextremistischen Szene Niedersachsens ist ein leichter Rückgang des Personenpotenzials zu beobachten. Gleichzeitig ist sie von zunehmender Organisationsschwäche, nachlassender Mobilisierungsfähigkeit und einer stark reduzierten öffentlichen Präsenz gekennzeichnet. Starren Organisationsstrukturen weichen temporäre, aktionsgebundene Bündnisse. Besonders betroffen vom strukturellen Wandel sind die rechtsextremistischen Parteien, neonazistische Kameradschaften und die rechtsextremistische Subkultur. Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" verliert weitere Mitglieder. Andere vom Verfassungsschutz beobachtete Parteien, wie "Die Rechte" oder "Der III. Weg" stagnieren mit ihren Mitgliederzahlen auf einem sehr niedrigen Niveau. Die neonazistische Szene versucht den Bedeutungsverlust zu kompensieren, indem sie Netzwerke über größere räumliche Entfernungen knüpft. Die ideologisch wenig gefestigte rechtsextremistische Subkultur konzentriert sich im Wesentlichen auf die Musik. Allerdings wurden zuletzt die Konzerte und Liederabende durch zahlreiche polizeiliche Exekutivmaßnahmen gestört oder verhindert. Das verunsichert die Szene, geht es doch auch um Einnahmeverluste und den Ruf der Veranstalter. In Niedersachsen haben erneut keine Konzerte, sondern Liederabende und Geburtstagsfeiern stattgefunden. Die Rechtsextremisten aus Niedersachsen besuchten regionale Veranstaltungen in Sachsen und Thüringen. Dort stehen Rechtsextremisten eigene Veranstaltungsorte zur Verfügung. Der Bereich der sogenannten Neuen Rechten wird u.a. durch die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) und die Jugendorganisation der "Alternative für Deutschland" der "Jungen Alternative" (JA) repräsentiert. Die "Neue Rechte" propagiert die strikte räumliche und kulturelle Trennung der verschiedenen Ethnien. Der sogenannte Ethnopluralismus richtet sich daher besonders gegen Muslime, Migranten und Flüchtlinge. Aus den sehr unterschiedlichen ideologischen Ansätzen resultiert dennoch eine gleiche Propaganda gegen Überfremdung, Einwanderung und die vermeintliche Islamisierung Deutschlands. Der Rechtsextremismus ist insgesamt heterogener und damit unberechenbarer geworden. Gefördert durch die virtuelle Vernetzung via Internet haben neue Akteure die Szene betreten, die zum Teil einen ausgeprägten, nicht nur virtuellen Handlungswilen aufweisen. Sie tragen durch eine Verrohung der Sprache dazu bei, dass Hemmschwellen abgebaut werden und die Militanz zunimmt. In den Jahren 2016 bis 2019 war eine deutliche Zunahme an Aktivitäten der Reichsbürger und Selbstverwalter festzustellen. Mittlerweile stellt sich das Personenpotenzial im Rahmen der weiteren Aufklärung eher rückläufig dar. Dies liegt insbesondere daran, dass sie sich wegen behördlichen, medialen und öffentlichen Drucks von der Szene abgewandt haben und sich der Anfangsverdacht gegenüber einigen Personen nicht bestätigt hat. Linksextremismus: Die linksextremistische Szene ist nach wie vor von der autonomen Szene dominiert. Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung wird niedriger. Die Gewalt richtet sich gegen Repräsentanten des Staates, gegen Rechtsextremisten und Personen, die die Linksextremisten für solche halten. So haben wir in 2019 vermehrt Übergriffe auf das Eigentum, die Wahlkreisbüros von Politikerinnen und Politikern und die Geschäftsstellen von Parteien zu verzeichnen. Neben der niedrigen Hemmschwelle zur Gewaltanwendung ist die hohe Mobilisierungsfähigkeit der Szene hervorzuheben. Nach wie vor stellen wir Versuche linksextremistischer Zusammenschlüsse fest, demokratische Protest für ihr eigenes Ziel, die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zu instrumentalisieren. Salafismus: Die Zahl der Salafisten in Niedersachsen hat sich auf einem hohen Niveau verfestigt. Der Zusammenbruch des "Staatsgebildes" des sogenannten Islamischen Staates hat zu einer Vielzahl von Strafverfahren gegen dessen Anhänger geführt. Personen, die von einer salafistischen Radikalisierung gefährdet sind, führt dieser gerichtliche Verfolgungsdruck die Konsequenzen ihres Handelns deutlich vor Augen. In der öffentlichen Wahrnehmung mag es den Eindruck erwecken, dass die salafistische Szene keinen Zulauf mehr erfährt. Wir beobachten aber nach wie vor, dass die salafistische Ideologie anziehend wirkt. Die Aktivitäten finden mittlerweile in kleineren und abgeschotteten Kreisen statt. Dabei besetzen Salafisten zunehmend Themen, die vordergründig keinen Bezug zum Salafismus haben. Beispiele dafür sind Hilfsorganisationen oder die Gründung eigener Unternehmen im Bereich der halal-konformen Produkte. Gerade im Internet erreichen Salafisten eine enorme Reichweite, indem sie öffentliche Debatten, wie Diskussionen über das Kopftuch oder die Diskriminierung von Muslimen, aufgreifen und für sich zu nutzen versuchen. So ist es nach dem Anschlag von Hanau nicht ohne Grund gerade bekannten Akteuren des salafistischen Spektrums aus Hannover gelungen, mit Hilfe einer Online-Petition über 50.000 Unterstützer für einen "Bundesbeauftragten zum Schutz der Muslime" zu mobilisieren. Das Internet spielt eine große Rolle bei der Anwerbung und der Vernetzung von Salafisten. Allerdings dienen Moscheen immer noch als lokale Anlaufstellen und Trefforte, um realweltliche Kontakte zu festigen oder um an Veranstaltungen teilzuhaben. Gerade einschlägige Moscheevereine nutzen Veranstaltungen, um Einfluss auf den Radikalisierungsprozess zu nehmen. Prävention / Internet / Soziale Medien: Auch der Niedersächsische Verfassungsschutz muss sich stets an den aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen orientieren. Bei der "Virtualisierung" des politischen Extremismus handelt es sich um Erscheinungen, auf die die Sicherheitsbehörden mit neuen Instrumentarien und veränderten Arbeitsmethoden reagieren müssen, um Gefahrenpotenziale frühzeitig zu erkennen. Große Priorität hatte und hat in diesem Zusammenhang für den Niedersächsischen Verfassungsschutz die Verbesserung der Analysekompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Internet. Zusammen mit der Neukonzeption der Internetbearbeitung wird so eine hocheffektive und vorausschauende Konzentration auf die Phänomenbereiche und damit auf die originäre Arbeit einer modernen Verfassungsschutzbehörde möglich. Bei der entsprechenden Personalaufstockung wurde ein besonderes Augenmerk auf die gezielte Stärkung der Sprach-, IT- und Wissenschaftskompetenz gelegt. Die Interne Revision überprüft laufend bestehende Arbeitsprozesse und Geschäftsabläufe und die operative und administrative Facharbeit des Verfassungsschutzes und initiiert die Anpassung an aktuelle Erfordernisse. Ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung des Extremismus ist die Prävention. Der Niedersächsische Verfassungsschutz bietet daher Präventionsangebote, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren und die aktuelle Entwicklung in den Szenen abbilden. Es gibt Online-Angebote und soziale Medien werden genutzt, um z.B. aufzuzeigen, wie sich Rechtsextremisten des Internets bedienen, um Themen zu setzen und sich untereinander vernetzen. Im Mittelpunkt der Social-Media-Aktivitäten steht für den Niedersächsischen Verfassungsschutz das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger über extremistische Inhalte und Propaganda aufzuklären und diesbezüglich ihre Sinne zu schärfen. Dabei steht Transparenz an erster Stelle. Bereits seit 2011 betreibt unser Aussteigerprogramm Aktion Neustart eigene Seiten und Kanäle auf Facebook, YouTube und Instagram. Um soziale Medien nicht extremistischen Akteuren zu überlassen, bewegt sich auch Aktion Neustart in diesem virtuellen Raum, formuliert Gegendarstellungen, bringt diese in rechtsextremistische Filterblasen und Echokammern ein, veröffentlicht Videos, die auf die Gefahren extremistischer Radikalisierung hinweisen und bietet eine Onlineberatung an. Neben Aktion Neustart ist der Verfassungsschutz Niedersachsen seit Ende Oktober 2019 mit zwei weiteren Accounts in den sozialen Netzwerken vertreten. Über Twitter und Facebook werden laufend die Extremismusbereiche thematisiert. Das Social-Media-Team hat die Trends im Blick und passt die Beiträge dem aktuellen Zeitgeschehen an. Für uns als Gesellschaft ist es wichtig, sich mit den Herausforderungen des Extremismus auseinanderzusetzen. Durch die digitale Welt rückt der Extremismus, in jeder seiner Formen, näher an die Gesellschaft heran. Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, werden durch Propagandamaterialien beeinflusst. Ein Entkommen bzw. ein Filtern der Informationen ist bei der Masse kaum noch möglich. Daher ist es umso wichtiger, dass wir alle uns gegen jegliche Form von Extremismus, Hetze, Hass und Rassismus zur Wehr setzen. Lassen Sie uns gemeinsam für die Werte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und für eine wehrhafte Demokratie eintreten. (Bernhard Witthaut, Niedersächsischer Verfassungsschutzpräsident)