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Lädt ... Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2020von Niedersächsisches Mini...
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Liebe Leserinnen und Leser, die sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche auswirkenden Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben im Jahr 2020 selbstverständlich wie in vielen Bereichen unseres Lebens ebenso massiv Einfluss auf den politischen Extremismus und damit auch auf die Arbeit des Verfassungsschutzes. Wieder einmal standen und stehen die Sicherheitsbehörden vor ganz neuen Herausforderungen, wenn es gilt, Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu erkennen und abzuwehren. Öffentlichkeitswirksame Aktionen sind auch in den extremistischen Szenen bis auf die herausragenden Ereignisse stark zurückgegangen. Allerdings ist in Teilen der demokratischen Gesellschaft der Widerspruch gegen extremistische Positionen verstummt, teils stoßen sie - vor zehn Jahren noch undenkbar - eher auf Zustimmung. Dadurch wagen sich Extremisten immer weiter in die bürgerliche Mitte vor. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Extremismusprävention des Niedersächsischen Verfassungsschutzes. Wir sind deshalb auch mit Onlineformaten zunehmend präsent. Für eine differenzierte Analyse der extremistischen Bestrebungen ist unsere Herausforderung als das Frühwarnsystem "Verfassungsschutz", dem Extremismus immer einen Schritt voraus zu sein. Angesichts der sich weiter entwickelnden Möglichkeiten der konspirativen Kommunikation in den zum Teil geschlossenen Echokammern bedeutet das einen sich stets wandelnden personellen und technischen Aufwand um auf der Höhe der Entwicklung sein zu können. Im Phänomenbereich Rechtsextremismus werden wir den Fokus u.a. darauf richten, ob sich sogenannte Querdenker und Corona-Skeptiker weiter radikalisieren und neue Formen demokratiefeindlichen Denkens entwickeln. Die Nichtakzeptanz demokratischer Regulierungsmechanismen, der grundsätzliche Zweifel an faktenbasierten Entscheidungsprozessen, die Orientierung an Verschwörungstheorien, Kampfbegriffe wie "Corona-Diktatur" oder "Ermächtigungsgesetz" und die Überzeugung, dass die etablierten Medien von Eliten gesteuert werden, um die Bevölkerung zu manipulieren, bilden eine Mixtur, die die Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung untergräbt. Wir werden im Blick behalten, ob sich hieraus ein Extremismus eigener Art entwickelt, auch wenn sich die Entwicklung in Niedersachsen nicht so ausgeprägt wie in anderen Bundesländern zeigt. Die bereits in den letzten Jahren beschriebene Struktur- und Mobilisierungsschwäche der organisierten rechtsextremistischen Szene in Niedersachsen verschärfte sich unter Corona-Bedingungen weiter. Dabei kennzeichnet die neonazistische Szene unverändert eine hohe Gewaltbereitschaft, die in ihrem sozialdarwinistischen und antisemitischen Weltbild ideologisch tief verankert ist. Die Beobachtung der neonazistischen Szene bildet deshalb weiterhin einen Schwerpunkt der Verfassungsschutzarbeit. Ein weiterer unserer Schwerpunkte ist es, dem Antisemitismus aktiv und entschlossen entgegenzutreten. Sind doch Verschwörungstheorien mit deutlich antisemitischen Inhalten aktuell in manchen Zirkeln wieder salonfähig, seitdem die Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch zur Verbreitung antisemitischen Gedankenguts instrumentalisiert werden. Information und Prävention sind wichtige Bausteine, um antisemitische Hetze, auch wenn sie noch so niedrigschwellig formuliert wird, zu erkennen und Gegenstrategien zu entwickeln. Das Internet und die veränderten Formen der Kommunikation haben sich zu Keimzellen eines gewandelten Rechtsextremismus entwickelt. Während die staatlichen Aufklärungs- und Sanktionsmöglichkeiten erschwert werden, vergrößert sich die Reichweite rechtsextremistischer Agitation, entstehen Netzwerke auf antisemitischer und rassistischer Basis jenseits des traditionellen Rechtsextremismus und werden Radikalisierungsprozesse durch den permanenten Austausch mit Gleichgesinnten in den bereits genannten "Echokammern" des Internets beschleunigt. Nach Jahren deutlichen Wachstums stagniert die Anzahl der Anhänger des Salafismus in Niedersachsen bei etwa 900 Personen. Es fehlen derzeit charismatische Führungspersonen wie der Prediger Abu Walaa, der u.a. wegen seines Wirkens im seit 2017 verbotenen Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim e.V. vom Oberlandesgericht Celle zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Die Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft Braunschweig bemüht sich, diese Lücke zu füllen, indem sie regelmäßig überregional bekannte Prediger bei sich auftreten lässt - bisher mit mäßiger Wirkung auf die Szene. Ein Resultat dieser Situation jedenfalls ist, dass sich Radikalisierung und Missionierung weiter zunehmend in klandestinen Kleingruppen und im Internet vollziehen. Die Grenzen zwischen dem Salafismus und anderen Bereichen der islamistischen Szenen verschwimmen mehr und mehr. Grundlage dessen ist das gemeinsame Ziel des islamistischen Spektrums, einen Staat ausschließlich auf Grundlage der Scharia zu errichten. Die Föderale Islamische Union aus Hannover (FIU) ist dafür ein Beispiel. Maßgebliches Mobilisierungsthema ist die Diskriminierung von Muslimen, die u.a. am Kopftuchverbot festgemacht wird. So werden Themen des öffentlichen Diskurses genutzt, um Anschluss an breite gesellschaftliche Bereiche zu bekommen. Die FIU klagt derzeit gegen die Nennung im Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht, unterlag allerdings im Eilverfahren. Die linksextremistische Szene in Niedersachsen ist auch in unserem Bundesland aktiv und schreckt nicht vor Gewalttaten zurück. Höhepunkte waren der Brandanschlag auf zehn Transporter der Landesaufnahmestelle in Braunschweig und der versuchte Brandanschlag auf das Gebäude der Landesaufnahmestelle in Hannover im Januar 2021 als Protest gegen vermeintlich institutionalisierten Rassismus. Im Fokus der linksextremistischen Szene stehen vornehmlich auch Funktionäre und Eigentum der Partei "Alternative für Deutschland" als Sinnbild des aus ihrer Sicht faschistischen und rassistischen Deutschen Staates. Der Extremismus mit Auslandsbezug war dadurch geprägt, dass sowohl die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Nebenorganisationen als auch die rechtsextremistischen Ülkücü-Dachverbände ihre Kommunikation als auch ihre Konfrontationen untereinander coronabedingt zunehmend in die digitale Welt verlagerten. Der Fortgang der Spannungen zwischen ihnen werden weiterhin in erster Linie von den Entwicklungen in der Türkei und in den kurdisch besiedelten Gebieten in Nordsyrien und dem Nordirak abhängen. Die vielfältigen Herausforderungen für den Niedersächsischen Verfassungsschutz sind einem ständigen Wandel unterzogen. Diesen werden wir weiterhin auf allen Ebenen - in der Analyse, mit den Informationspflichten, der Prävention unter maßgeblicher Nutzung der Sozialen Medien und nicht zuletzt mit der Erfüllung unserer Mitwirkungspflichten - entschieden entgegentreten. (Bernhard Witthaut, Niedersächsischer Verfassungsschutzpräsident)