Malcolm Gladwell

Erfolg hängt am wenigsten vom eigenen Genius ab als vielmehr von Zufällen, unerkannten Zusammenhängen und vor allem von der sozialen Umgebung.

Ich bin immer noch beeindruckt von der Geschichte zu Beginn, den Italienern aus Roseto, die nach Amerika auswanderten, um dort eine Gemeinschaft zu gründen, die sich selbst eine Verfassung des Anstandes, des Mitfühlens und der nicht-kompetitiven Ausgestaltung gab. Ein Beispiel im Grunde für alle Gesellschaften, zeitlos schön und richtig.

Gleichzeitig verdeutlichen die Bewohner von Roseto in Amerika jene guten Ausgangsbedingungen, die Erfolg konstituieren. Eine Umgebung, die mitfühlend auf eigene Bestrebungen blickt, die sogar stolz ist, ohne jedoch unnötiges Heldentum zu erwarten. Sie ist die beste Voraussetzung für den Einzelnen um jene Tätigkeiten zu entdecken, denen man leidenschaftlich gerne nachgeht.

Dieses Buch blickt hinter die medialen Inszenierungen von Überfliegertum, es zeigt, dass 99% Transpiration einem Prozent Genie gegenüberstehen, es gibt die 10.000 Regel: jeder, der es auf einem Gebiet zu etwas bringen möchte, muss diese Zeit in kreativem Üben zubringen. Dies gilt z.B. auch für die Beatles, die in Hamburg diese Probe-Übungs-Bühne hatten, auf der sie Tag und Nacht üben und ihre unvergleichliche Musik entwickeln konnten.… (mehr)

tipping point dürfte vermutlich jeden Leser begeistern. Schwer zu rezensieren ist das Buch, weil den deutschen Rezensenten die Frage umtreibt, für wen Gladwell eigentlich geschrieben hat: Für Seuchenmediziner oder für Soziologen? Meint er die Werbestrategen oder die höhere Polizeiführung, die Psychologen oder die Historiker? Alle genannten Professionen werden beim Zuklappen des Bandes klüger sein als vorher und Gladwell lobpreisen. Nachdenken über tipping points ist für alle wichtig, die das Verhalten großer Menschenmassen in irgendeiner Weise vorhersehen (oder als Historiker im Nachhinein erklären) müssen. Tipping point? Gemeint ist jener Punkt, den Marxisten einst gut hegelianisch als "qualitativen Umschlag" zu bezeichnen pflegten: Das Wasser wird heißer und immer heißer (Quantität!), bis es an einem bestimmten Punkt kochend in einen anderen Aggregatzustand (Qualität!) "umschlägt".

Winzige Veränderungen sind es, die eine Ware zur Mode werden lassen, ein U-Bahnsystem vom Verbrechenshort zum sicheren Verkehrsmittel. Der Volksmund weiß: "Kleine Ursachen, große Wirkungen!". Diesen Faktoren in allen Bereichen der Gesellschaft gilt das ganze Interesse des Autors. Er untersucht die Rolle der beteiligten Personen "Das Gesetz der wenigen" (die Identifizierung von "Vermittlern", "Kennern" und "Verkäufern" lohnte allein schon die Lektüre des Buches), analysiert den "Verankerungsfaktor" (anhand der Sesamstraße!), die "Macht der Umstände" (nicht ganz glücklich formuliert) und die "Drei Regeln von Epidemien".

Ein Buch wie dieses würde in Deutschland nicht geschrieben werden; -- falls doch, fände sich kein Verleger. Wir lieben nun mal die Grenzen. Zwischen Ländern, zwischen Wissenschaftsdisziplinen, zwischen Berufen: Eigener Pavillon für jeden, selbst für Monaco. Die Amis sind nicht zur Expo erschienen. --Michael Winteroll --

Quelle: amazon.de am 02.07.2008… (mehr)