Hergé (1907–1983)

Die Darstellung der Sowjetunion zur damaligen Zeit mag klischeehaft überzeichnet und plakativ sein, aber derartige Darstellungen sind bei Comics allgemein keine Seltenheit, wie auch Disney schon oft bewiesen hat. Sie ist allerdings auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Heute könnte man womöglich einen ähnlichen Band über das chinesische oder nordkoreanische System zeichnen. Wenn Hergé hier einige faktische Fehler begangen hat, dann lag das vielleicht an seiner anfänglich rudimentären Recherche, die sich wohl primär auf die Lektüre des Buchs "Moscou sans voiles" von Joseph Douillet beschränkte. Bei einem fiktiven Werk sollte das mangelnde Fachwissen allerdings nicht so sehr ins Gewicht fallen wie die inhärenten Logiklöcher oder Unglaubwürdigkeiten, welche es manchmal gibt: Wie kommt die praktische Taucherausrüstung in die Gefängniszelle? Wie hat Tim es auf der Fahrt mit den Soldaten unbemerkt geschafft, die Munition durch Pappmaché zu ersetzen? Wieso hat er eigentlich bei seiner Zeitung das Feuermachen ohne Streichholz gelernt? Wie konnte sich Struppi so schnell in einen unterirdischen Bunker buddeln? Und warum trägt ein Rotarmist bei der Artillerieübung eigentlich einen Wehrmachtshelm? Man merkt, dass es sich noch um eine Fortsetzungsgeschichte handelte, die sich selbst nicht zu ernst nahm, gelegentlich Logik und Realismus dem Humor opferte, aber im weiteren Verlauf immer ausgefeilter wurde.… (mehr)

Der Aufbau der Erzählung und die Sketche kommen noch ein wenig ungeschliffen rüber, aber insgesamt ist die Geschichte ganz unterhaltsam. Hergé hat diesen Band bereits 1946 in Selbstzensur überarbeitet. Bekanntes Beispiel: Tim springt für einen kranken Missionaren als Vertretungslehrer ein und macht für die schwarzen Kinder Belgisch-Kongos belgischen Erdkundeunterricht. Eben ein Thema, bei dem er sich als belgischer Reporter ein wenig auskennt. In der zensierten kolorierten Version wird daraus eine öde Mathematikstunde (2+2=?). Der Verlag Moulinsart (Hergés Rechteverwalter, seit 2022 bekannt unter "Tintinimaginatio") hat allerdings zum 90. Jubiläum von Tintin (2019) eine neu kolorierte Version der Originaltafeln von 1930/31 herausgebracht. So könnte man bei Gelegenheit einen schönen Vergleich unternehmen.… (mehr)

https://de.wikipedia.org/wiki/Tim_und_Struppi

1929: Tim im Lande der Sowjets (Tintin au pays des Soviets) – schwarzweiße Fassung, vh franz.
1942: Der geheimnisvolle Stern (L’étoile mystérieuse) – farbig, vh, franz.
1943: Das Geheimnis der „Einhorn“ (Le Secret de la Licorne) – farbig, vh. dt.
1943: Der Arumbaya-Fetisch (L’oreille cassée) – farbige Neufassung, vh. franz.
1943: Die Schwarze Insel (L’île noire) – erste farbige Neufassung, vh. franz.
1943: Die Krabbe mit den goldenen Scheren (Le crabe aux pinces d’or) – farbige Neufassung, vh franz.
1944: Der Schatz Rackhams des Roten (Le trésor de Rackham Le Rouge) – farbig, vh. dt.
1946: Tim im Kongo (Tintin au Congo) – farbige Neufassung, vh franz.
1946: Tim in Amerika (Tintin en Amérique) – farbige Neufassung, vh franz.
1946: Der Blaue Lotos (Le lotus bleu) – farbige Neufassung, vh franz.
1947: König Ottokars Zepter (Le sceptre d’Ottokar) – farbige Neufassung, vh dt.
1947: Die sieben Kristallkugeln (Les 7 boules de cristal) – farbig, vh. franz.
1949: Der Sonnentempel (Le temple du soleil) – ummontierte und gekürzte, farbige Albenfassung, vh: franz.
1950: Im Reiche des Schwarzen Goldes (Au pays de l’or noir) – erste farbige Albenfassung, vh. franz.
1952: Reiseziel Mond (Objectif Lune) – farbig, vh: franz.
1954: Schritte auf dem Mond (On a marché sur la Lune) – farbig, vh. franz.
1955: Die Zigarren des Pharaos (Les cigares du pharaon) – farbige Neufassung, vh. franz.
1956: Der Fall Bienlein (L’affaire Tournesol) – farbig, vh. franz.
1958: Kohle an Bord (Coke en stock) – farbig, vh franz. + dt.
1960: Tim in Tibet (Tintin au Tibet) – farbig, vh. dt.
1963: Die Juwelen der Sängerin (Les bijoux de la Castafiore) – farbig, vh. franz.
1968: Flug 714 nach Sydney (Vol 714 pour Sydney) – farbig, vh dt.
1976: Tim und die Picaros (Tintin et les Picaros) – farbig, vh. franz.… (mehr)

Wieder einmal bin ich bei einem der schwächeren und problematischeren Bände der Comic-Reihe gelandet: Tim ist auf der Spur einer Bande von Opium-Schmugglern und bereist zu Lande, zur See und in der Luft auch wieder - für die Entstehungszeit - “exotische” Orte wie Marokko, wo “die Wilden” geschmäht und von den französischen Kolonialherren “großmütig” geführt werden…

Rassistische und kolonialistische Klischees gibt es hier insofern - mal wieder - zuhauf. Bis hin zum am Rande auftretenden japanischen Detektiv, der einer bewußt rassistischen Karikatur entsprungen sein könnte.

Auch hier ist Hergé Kind seiner Zeit: Sein Land, Belgien, ist zur Entstehungszeit dieses Bandes (1940) von den Deutschen besetzt und obschon Hergé nicht kollaboriert, so wird er doch zumindest beeinflußt. Ganz zu schweigen davon, daß gerade auch Belgien eine üble Kolonialgeschichte hat.

Auch ansonsten ist die Geschichte für mich von nur geringem Interesse - allerdings, und das ist der einsame Höhepunkt dieses Bandes, taucht zum ersten Mal Kapitän Haddock auf, der Tim auf vielen weiteren Abenteuern zur Seite stehen und ihm manchmal auch die Schau stehlen wird.

Zwei von fünf Sternen.

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Ceterum censeo Putin esse delendam… (mehr)