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Luise RinserRezensionen

Autor von Mirjam

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Rezensionen

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Wer war ich als Kind? als Heranwachsende? als junge Frau? Was hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin – die fast 70zig-jährige zurückdenkend Schreibende ? Wer/was ist eigentlich das was ich sich nennt? Kann man es wissen, geschweige denn in Worten ausdrücken?

Ich greife einige ihrer Gedankan heraus:
Erinnerung an die Bücher von Ernst Jünger, die die 20-jährige zu verstehen versucht; später nennt sie Jünger nach Erich Fromm einen „Nekrophilen: Fasziniert vom Tod, vom Töten, vom Krieg, von der Macht, Lebendiges zu vernichten.“(16) Wagner wird später auch zu den Nekrophilen gezählt (92 - mit Recht, denke ich).
Ihre ersten Versuche zu schreiben, „Die Lilie“, das erste Buch: „Die gläsernen Ringe“: Wahrheit und Dichtung. Aber was ist die Wahrheit? Peter Suhrkamp: „du wirst bis an dein Lebensende schreiben“ (20/23)
Nicht Christentum, nicht Buddhismus, die alte chinesische Philosophie des Taoismus hilft ihr in schweren Zeiten: Widersprüche der Welt erweisen sich als notwendige Polaritäten: „... Leben ist nicht, wenn es nicht den Tod gibt, ...“ (30)
Die 17jährige schrieb: „Ich bin ein / Berg in Gott“. Die Autorin fragt: „Was wollte ich damit sagen? Ich weiß es nicht.“ (141) und die 16jährige: „Wenn ich von mir spreche, spreche ich von allem“ (143) „Der Gedanke der Sünden-Mystik hat mich immer beschäftigt“ --: später die Grund-Idee in „Daniela“ (143)
Sie findet dieHerkunft des Denkens in Platon, bei Amos Comenius die „Die Idee der Entsprechung von Makro- und Mikrokosmos“: „Ich sah die Harmonie der Welt“ (144), bei Nicolaus Cusanus --: coincidentia oppositionum (145):
„Das Universum als ein ungeheurer Wirbel von Licht und Schwärze, und das war Gott“
„Der Mensch, der homo religiosus“ (149)
Was die Eltern wollten: meinen Ungehorsam brechen, mein Andersein ... (160)
Und: (162):“Die ganze Erziehung ziehlte darauf, mich still gefügig zu machen ... immer um Verzeihung bitten zu müssen. Ich hatte Recht, mich zu wehren ...“
Und (168): es ist auch wahr, daß ich sie nicht „liebe Eltern“habe sein lassen; Goethe: Hermann und Dorothea
„Mein Gott kein Staatsanwalt, er ist Armenanwalt, er ist der Anwalt seiner selbst, denn wer ist er ohne uns, wer ist er, wenn nicht wir-und-er?“ (173)
„Für mich zählte nur die Spiegelwelt, die Innenwelt“(180)
Ihr „Geliebter“ vier Jahre lang jetzt „trocken analysiert“: ein Halber (212)
Wachstumsschmerzen (212 ff)
„Wann sonst als in der Jugend dürfen wir unbescheiden sein“ ... (222)
Armut: Verrottung, Kapitulation (236)
Aktion – Kontemplation : der Schriftsteller verbindet beides (240)
„ich fühle die Kraft der Erde in mich rinnen ...“ eins mit der Natur, dem Boden, der nackten Erde (259)
Musikalität als „Grundstimmung, eine Art zu sein. Der musikalische Mensch ist fließend und spontan (260)
Später ihrem Vater auf dessen Wunsch in der Dorfschule helfend, fern von der Musik: „ich habe doch solche Sehnsucht nach Musik“ (271)
Dachau – durch ein zufälliges Gespräch erfahren ihr Vater und sie, dass in Dachau politische Andersdenkende eingesperrt und gefoltert werden (319)
„Was hat der Vatican getan? ... Nichts hat er getan.“ (320)
„Was hätte ich tun können? Was hätten die Deutschen unter Hitler tun können, wenn das Ausland nicht hören wollte, was Flüchtlinge erzählten?“ (321)
Der Musiker Kaminski (328)
Gespräch mit Hesse in Briefen und Auseinandersetzung mit seinen Werken: „Der Morgen, das Morgen: Zukunft und Vergangenheit in der Gegenwart, nämlich im Inneren eines jeden Menschen“ (332-336)
Über den Maler Fritz Winter „unstillbares Heimweh nach Sibirien. ... Seine Bilder haben sibirische Farben: erdbraun, schneegrau, birkenweiß, norhimmelblau, krähenschwarz“ (344)
Zu „Daniela“: kein sozialkritischer Roman, es geht vielmehr um ein theologisches Problem, um die felix culpa, die „glückliche Schuld“. (359)
War Richard Strauss ein Nazi, wie Klaus Mann schrieb ? „Strauss weder Nazi noch Nicht-Nazi: er wollte in Ruhe gelassen werden und Geld verdienen“. (361)
Eine Schulkameradin kommt verzweifelt zu ihr und bittet sie, ihrem Mann zu helfen; dieser, der „Halbmönch“, denunziert sie daraufhin (378)
In Einzelhaft man wird asozial (389)
der Halbmönch ruft sie an als ob nichts gewesen wäre; „der Halbmönch kennt keine Scham“ (391)
Der Titel? Wer ist mit dem Wolf gemeint? Sie muß zur Staatsprüfung lesen: „Die Volksmärchen der Brüder Grimm mit besonderer Berücksichtigung des Märchens vom Wolf und den sieben Geißlein in völkischer Hinsicht.“ ... Die Geißlein sind das deutsche Volk ... der Wolf: der Jude.“(306/307)

Wovon Rinser schweigt sind ihre Verirrungen in den 30-ziger Jahren: Ihr Sohn, Christoph Rinser berichtet 2005 von einer gewissen Faszination für die Hitler-Jugend; sie wäre aber nie der NSDAP beigetreten. Sánchez de Murillo lernte die 2002 verstorbene Rinser 1995 in Italien kennen und wurde ein enger Freund der Schriftstellerin. Er schreibt in seiner 2011 erschienen Biographie: "Luise Rinser war in der Nazi-Zeit ebenso verstrickt wie viele andere". ( zitiert in „DieZeit“ )

Wohl die interessanteste Autobiographie, die ich kenne; auch kommt sie zum Leben durch/in ihrer schönen Sprache!
(III-15)
Siehe auch diese Zusammenfassung
 
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MeisterPfriem | 1 weitere Rezension | Mar 8, 2015 |
Das erste, was ich von ihr gelesen habe.

Ich muss sagen, dass ich fast einen Widerwillen hatte, darin einzutauchen. Das Buch selbst (gebraucht) ist schon vergilbt und gibt die Atmosphäre vor, aber dann noch die Welt, die dort beschrieben wird...

Grob die Geschichte: Eine Frau trifft sich nach Jahren der Trennung und Entfremdung mit ihrer jüngeren Schwester Nina in München, bevor diese aus unglücklicher Liebe das Land verlassen will. Die letzten gemeinsamen Tage in der fast leeren Wohnung vergehen mit der Aufarbeitung der „verlorenen“ Jahre. Grundlage ist dabei ein Tagebuch, ergänzt durch Briefe, das der langjährige hoffnungslose Verehrer Ninas, Dr. Stein, nach seinem Tod an diese geschickt hat.

Abgedeckt werden vor allem die Dreißiger und Vierziger Jahre. Ein bisschen Politik spielt hinein (Ninas Engagement bei der Evakuierung politischer Flüchtlinge, ihre eigene Haft, ihre Auseinandersetzungen mit Kommilitonen zum Thema Euthanasie – was alles ein bisschen pikant ist, da Luise Rinser anscheinend eher mit den Nazis sympathisierte).

Das was für mich absolut beklemmend ist, ist diese geistige und moralische Enge, die aus der Geschichte spricht. Es ist wie ein anderes Universum, schwer vorstellbar. Und doch sterben gerade erst die letzten Vertreter der Generation, die von dieser Zeit geprägt wurde und die meine Eltern erzogen hat. Die beiden Protagonistinnen (und durch sie Luise Rinser) stehen dabei jedoch eher für die aufgeklärte, unabhängig denkende Frau und doch beugen sie sich dieser Gesellschaft (obwohl Nina ja eigentlich die Rebellin sein soll, denkt sie in den gleichen Mustern). Wer auch nur einen Fingerbreit vom vorgegebenen Weg abweicht, gilt als Rebell und kann von der Gesellschaft verstoßen werden. Und alles beruht auf Gegensätzen, die unumstößlich und wie Naturgesetze erscheinen: Die jüngere gegen die ältere Generation, die Frauen gegen die Männer, die Verheirateten gegen die Unverheirateten, die Studenten gegen die Dozenten, die Bürgerlichen gegen die Bohème, die Deutschen gegen die Exoten.
Der Mann sehnt sich danach, eine Frau zu „besitzen“, die Frau überlegt, ob sie eine gute Ehefrau abgeben würde.

Nicht jeder Roman aus dieser Zeit zeichnet diese Verstrickung so stark, nicht jeder ist so in eine bestimmte Vorstellungswelt getaucht. Das war das Interessante an dem Buch. Inwieweit Luise Rinser selbst nach diesen Vorstellungen lebte?

Ein bisschen traurig dabei ist, dass wirklich schöne und nachvollziehbare Gedanken beschrieben werden, aber sie verschwinden bei mir durch diese dumpfe Anderswelt wie hinter einer Milchglasscheibe.

Auszüge (Nina spricht):
Weißt du, sagte sie ganz unvermittelt, die meisten Menschen haben kein Schicksal. Daran sind sie selber schuld, sie wollen keins, sie nehmen lieber hundert kleine Stöße hin als einen einzigen großen Stoß. Aber die großen Stöße tragen sie vorwärts, die kleinen drängen einen nach und nach in den Dreck, aber das tut nicht weh, das Abgleiten ist bequem.

...Und dann die hundert kleinen Unruhen [...] Und die Traurigkeit darüber, dass alles Schöne vergeht, im Handumdrehen vergeht. Und der Jammer darüber, dass es nichts Volkommenes gibt, nicht einmal vollkommen reine Verzweiflung, nur Mischungen, billige Mischungen. Und dass man nicht glücklich sein kann und dass man aber auch nicht den Frieden erreicht, wenn man auf Glück verzichtet.

Ich habe gesehen, dass es anscheinend eine Fortsetzung gibt (Nina. Abenteuer der Tugend – 1957 geschrieben). Aber die werde ich sicher nicht lesen. Manchmal enttäuscht es mich ein bisschen, wenn man Sachen nicht allein stehen lassen will, es kommt mir dann so vor, als ob der Wert des ursprünglichen Werks dadurch abgemindert wird.
 
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Tangotango | Feb 18, 2015 |
Eine Parabel, so nennt Bender in seinem Nachwort diese Novelle, zeitlos aber eingebettet in die realen Ereignisse der Kämpfe 1943/44 in Italien, eine Parabel vom bewußten Leben angesichts des Elends der Welt. Die junge, selbstsichere und kühne Angelina wählt den Weg vom politischen Engagement - sie und ihre Freundin Giulia (die Erzählung hat die Form eines Briefes von ihr an Angelinas Vater mit der Bitte, er möchte Angelinas spätere Entscheidung, wenn nicht verstehen, so doch seine Tochter darum nicht verwerfen) schließen sich den Partisanen an - bis in die Abgeschlossenheit des Klosters, während ihr Freund Antonio genau den entgegengesetzten Weg wählt. Welches ist der bessere? Dies wird offen gelassen. Für den Vater (und auch mir) ist ihr Weg unverständlich: sollen wir wirklich einem unsichtbaren Gott blind vertrauen, die Menschen aus ihrem von ihnen selbst oder von diesem imaginären Gott geschaffenen Elend zu führen? Dieser Weg wäre verständlich vielleicht als eine Geste der Resignation nach einem langen Leben, aber in dem Handeln der eigenwilligen Angelina liegt keineswegs Resignation! Und auch Luise Rinser hat sich nie vom Elend der Menschen in die Literatur vergraben.
Der Schriftsteller Hans Bender (mit Walter Höllerer Gründer 1954 der Zeitschrift Akzente ) beschreibt im Nachwort seine Begegnungen mit Luise Rinser und ihrem Werk. Sehr lesenswert! (I-15)
 
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MeisterPfriem | 1 weitere Rezension | Jan 16, 2015 |
Ein Mädchen wächst in den Jahren des 1. Weltkrieges in Süddeutschland auf, doch die Jahre im ländlichen Kloster, von ihrem Großoheim geleitet, in dem die Mutter mit ihr Zuflucht nimmt, erscheinen ihr später wie ein Paradies. Sie öffnet sich des Seienden des Anderen: den Blüten, den Tieren, den Menschen, alle so ganz anders und doch vertraut.
Die Begegnungen: die Enttäuschung über den wiederauftauchenden aber fremd bleibenden Vater, die Spannungen mit der Mutter, die Faszinationen des wilden Waldjungen, des Großvaters, der aus China zurückkehrt und ihr geheimnisvolle Geschenke gibt, ... werden in einer stillen, behutsamen Sprache geschildert. Eine Sprache, die sanft und auch stark und wild ist. (I-15)
 
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MeisterPfriem | 1 weitere Rezension | Jan 16, 2015 |
Tagebuch 1972-1978
 
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Buecherei.das-Sarah | Nov 26, 2014 |
Meine Gespräche mit dem Dalai Lama
 
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Buecherei.das-Sarah | Nov 26, 2014 |
Tagebuch-Notizen
 
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Buecherei.das-Sarah | Nov 26, 2014 |
Versuch einer Antwort auf Fragen junger Menschen
 
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Buecherei.das-Sarah | Nov 24, 2014 |
Hier bringt eine Frau die versteinerte Männerwelt um Jesus zum Tanzen: Judas ("Jehuda") will Politik machen, Johannes ("Jochanan") grübelt ewig, Jesus ("Jeschua") heilt, und Mirjam aus Magdala, die schöne Makkabäer-Tochter, sucht sich selber und den Sinn des Lebens. Sie ist Rebellin und Getreue, Begleiterin und oft Zweifelnde, eine starke, liebende Frau. Sie harrte aus unter dem Kreuz und sah als erste Jesus nach seinem Tod. Eine Frau also von zweifelhaftem Ruf war zuerst vertraut mit dem größten Mysterium des christlichen Glaubens. "Weibergeschwätz" war die erste Reaktion der Männer, als Mirjam von dem "Auferstandenen" erzählte... Luise Rinser erweckt den Mann aus Nazareth zu neuem Leben. Mirjam erinnert abendländische Christen an ihre Jesus-Vergeßlichkeit.«
Franz Alt in Die Zeit½
 
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hbwiesbaden | Jan 25, 2011 |
»Eine Kindheit im oberbayerischen Dorf, gelenkt von einem "saturnischen" Vater und einer nüchternen Mutter, erste mystische und philosophische Erfahrungen, die Seminarzeit im Zeichen geistiger Frühreife, pädagogische Erfahrungen in abgelegenen Siedlungen, die von den Idealen der deutschen "Schulreformer" zehren und sich den Ansprüchen des Nationalsozialismus an Schule und Erziehung verweigern, die Ehe mit "Ariel" - dem Komponisten Horst Günther Schnell, der jung in Rußland fällt -, Bombardements in Braunschweig und Rostock, Rückkehr nach Bayern, das Leben im Waldhaus, die Verhaftung und Überführung nach dem Gefängnis Traunstein, ein Neubeginn nach der Stunde Null mit fünfunddreißig Jahren; das sind Stationen in Luise Rinsers fesselnden Lebenserinnerungen.«
Neue Zürcher Zeitung
 
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hbwiesbaden | 1 weitere Rezension | Jan 25, 2011 |
 
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KonTEXT-Spenden | Jul 19, 2014 |
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