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Rezensionen

Alte Bekannte und auch fremde treffe ich hier, wirklich schöne und andere, die mir nicht gefallen. Sie sind nach 3 Lebensperioden und solche aus dem Faust geordnet - gut! so kann ich die früheren Gedichte finden, der Zeit bis Weimar, bis 1786, der Zeit der ‘Dichtung und Wahrheit’. (VI-21)
 
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MeisterPfriem | Jul 26, 2021 |
Goethe nimmt als Begleiter des Herzogs von Weimar an den Feldzügen der preußisch-österreichischen Koalitionstruppen am ersten Koalitionskrieges gegen das revolutionäre Frankreich teil und notiert in fast täglichen Tagebucheinträgen seine Erlebnisse und Eindrücke, zuerst die Erfolge, dann den Wendepunkt der Kanonade von Valmy, letztlich den Rückzug. Goethe schreibt (455), am Abend des 20. September nach der Kanonade um seine Meinung befragt, hätte er geantwortet „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ - doch ob er dies tatsächlich gesagt hat, ist umstritten; nach heutiger Meinung scheint dies eher Dichtung als Wahrheit zu sein. G. hört, dass die fliehenden franz. Aristokraten sich anmaßend benehmen und bei den einfachen Leuten unbeliebt sind. (Doch gegen den Schluss (606) schreibt G., die ersten flüchtenden Franzosen wußten „durch anständiges Betragen, duldsam zufriedenes Wesen, …, durch irgend eine Thätigkeit ihr Leben zu fristen, dergestalt für sich einzunehmen, daß durch diese Einzelnen die Mängel der Masse ausgelöscht und jeder Widerwille in entschiedene Gunst verwandelt wurde.“)
G. ist kein Revolutionär. Alles was die fürstliche Ordnung stört, und er selbst in seiner Stellung als der zweitmächtigste im Herzogtum Weimar ist von der Gunst seines Herzogs abhängig, ist ihm abhold.

Die Belagerung von Mainz 1793 ist mit Karten und allen Einzelheiten auf der WP - und wie es mir scheint, recht gut beschrieben. (VI-21)
 
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MeisterPfriem | Jul 26, 2021 |
Ich hatte versäumt, es in meiner Jugend zu lesen, nun wird es höchste Zeit, denn, denke ich, ganz verpassen sollte man so ein berühmtes Buch wohl doch nicht. Leicht wurde mir der Anfang allerdings jetzt nicht: die Sprache scheint mir trocken und in vielen Wendungen altertümlich, nicht die Jean Paulsche / Leverkühnsche gewollt leicht ironische Altertümlichkeit. Doch seine Beschreibung der Welt des Frankfurter Bürgertums im späten 18ten Jahrhundert in die Goethe (*1749) hineinwächst, ist interessant genug. Einige Notizen, die ich mir mache (die Seitenzahlen beziehen sich auf meine 2-bändige Gera Ausgabe von 1895, Goethes Werke Bd. 8 u. 9):

Bd.1 - 1. bis 10. Buch
1757 - das zweite Kriegsjahr im Siebenjährigen Krieg - in Frankfurt zwar noch Ruhe, doch die Bürger zerspalteten sich in oppositionellen Parteien, selbst seine Familie, der Vater auf Seiten von Friedrich II von Preußen, der Großvater auf Seiten Frankreichs und der österreichischen Monarchie unter Maria Theresia (I-81).
Auch die ‘Messias’ Verse von Klopstock spalten die Familie: der Vater verwirft sie da ohne Reim, die Mutter und Kinder lesen sie heimlich; als Bruder und Schwester sie deklamieren wird der Vater mit dem Rasierwasser überschüttet (89ff).

1759 - franz. Einquartierung: der ehrenvolle u. zuvorkommende Graf Thoranc - der verdrießliche Vater (95ff).

G. lernte Italienisch (das Interesse des Vaters), Französisch (durch die Besetzung Frankfurts), Englisch, Lateinisch und etwas Griechisch durch Gebrauch ohne Grammatik, jetzt lernt er Hebräisch, um das Alte Testament im Urtext zu lesen (143ff). Er schreibt ausführlich über Abraham, Opfer und natürliche Religion (159ff).

Er erhält Unterricht im Fechten bei zwei Meistern mit sehr verschiedenen Stilen, auch im Reiten (169f), doch der pedantische Unterricht in der Halle war ihm zuwider [wie mir!], doch wird er später ein leidenschaftlicher Reiter [ich leider nicht].

Erforschung der Stadt und der Judengasse (172ff): eng, ein Gewimmel, schmutzig, er zögert bis er sich hineinwagt, macht Bekanntschaften - das Schandgemälde unter dem Brückenturm, wird Zeuge von Exekutionen und Verbrennung eines Buches.

„Gretchen am Spinnrad“ (194ff)

Ausführliche Beschreibung der Wahl und Krönung Joseph II zum römisch-deutschen König 1764 in Frankfurt - ein wichtiges Ereignis für den 14-jährigen doch zu ausführlich für mich (220). G schreibt, die Tage der Zeremonien könnten als Kunstwerk angesehen werden.

Über sein inniges Verhältnis mit der ein Jahr jüngeren Schwester Cornelia und der Mutter, der Vater ist wohlgesinnt aber unerbittlich streng (267f); er beschreibt der Schwester Gesicht als ‘weder bedeutend noch schön’, als bis zur Hässlichkeit entstellt durch die damalige Mode (269) [- ich finde sie nicht ‘lieblich-hübsch’ aber in den überlieferten Porträts durchaus nicht hässlich!]

Er möchte gegen des Vaters Willen seine eigenen Studien wählen und sich von ihm lösen (283ff).

Leipzig 1765-68 (287)
G. trifft in Leipzig den älteren Johann Georg Schlosser, sein zukünftiger Schwager; sie werden Freunde (313).

Es folgen 10 Seiten Kritik der praktizierten protestantischen Religionsausübung, nicht mehr sei verlangt als formeller Konformismus, was generell und auch seinerseits Gleichgültigkeit fördert (339ff). [Schon Recht hat G., (Heine drückt dies schöner aus: Dabei muß ich ihnen auch gestehen …).]

G trifft Behrisch (349ff); sie werden Freude. Behrisch neckt ihn mit seiner Erklärung was ‘Erfahrung’ wäre (360). Behrisch Einfluss auf G soll größer gewesen sein, als er es uns hier wissen läßt.

G nimmt 1765 Zeichenunterricht bei Oeser; positive u. negative Kritik des Unterrichts; sie blieben lebenslang in Kontakt (364ff).
Er besucht allein die Dresdener Galerie und bittet einen ihm nicht ganz unbekannten Schuster um Quartier. (376-81)
Er verkehrt in der Verleger-Familie Breitkopf (382). 1768: Vergeblich hofft er, Winckelmann wenigstens zu sehen (386). Blutsturz (388) und lange Rekonvaleszenz. Gespräche mit Langer, der später Bibliothekar in Wolfenbüttel wird, hilft ihm in vielem (392).

Sept. 1768 - zurück in Frankfurt bemerkt er der Schwester Härte gegen den Vater, der ihr keine Freiheit läßt (397). Er interessiert sich für alchemistische Experimente (404f, später im Faust verarbeitet); der Vater hatte ihn vom Kartenspielen abgeraten, aber er findet jetzt, dass man diese nicht meiden sollte (407f); später (434) erwähnt er wieder, wie doch Kartenspiele die Geselligkeit beleben. Er beschreibt seine ‘eigene Religion’, die er sich schafft, mit fantastischen Vorstellungen der Gottheit und Lucifer, die von allen Religionen auf verschiedene Weise überliefert seien (413-16, Ende des 8. Buches).
Er fügt sich bereitwillig dem Wunsch des Vaters, seine Studien in Straßburg zu beenden (418)

1770 - Straßburg, das Münster (420). Seiner Tischgesellschaft, überwiegend Studenten, präsidierte Aktuarius Salzmann (423). Weitere Mitglieder der Tischgesellschaft: Jung-Stilling (436f, 488) und Lerse (439f), dem G aus Dankbarkeit ein Denkmal in dem Franz Lerse im Götz von Berlichingen setzt.

Das Münster (450ff): Beschreibung und seine Reaktion, die sich bei eingehender Betrachtung zum positiven wendet. Sulpiz Boisserée’s Bestrebungen den Köllner Dom zu vollenden (457). Noch als Kinder lehrt der Vater ihm und seiner Schwester Menuett zu tanzen; jetzt, aus der Übung, nimmt er Unterricht. Der Tanzmeister und die Geschichte seiner beiden eifersüchtigen Töchter (460ff).

10.Buch (468-527): Betrachtungen zur unterwürfigen Stellung deutscher Dichter vor Klopstock (er dagegen sei ‘ehrenhaft gegen sich selbst’). So auch Gleim, der junge, nicht vom Glück begünstigte Dichter fördert. Doch G kritisiert beider umfangreichen Korrespondenzen als ‘Wechselnichtigkeiten’ ohne viel Gehalt (473). G trifft Herder, der ihn aus seiner ‘Selbstgefälligkeit’ herausreißt. (473-484). Betrachtungen über Nichtdankbarkeit, Undank und Widerwillen gegen den Dank, letzteres auf Herder zutreffend (484f); er bemüht sich nun, sich des Dankes zu erinnern. Er wird gegen Herder karger, da er ihm die Freude an Ovid u.a. genommen (486f).

Beschreibung einer von vielen Reisen mit Freunden zu Pferde ins Elsaß (489-501,): Zabern u. Zaberner Steige (490) Pfalzburg, Saarbrück (493f), Besuch einer Alaunhütte, Friedrichsthaler Glashütte (498), Bitsch (499f), Wasenburg (501), Ses[s]enheim (501) wo er Friederike Brion treffen wird. Intermezzo und Auftakt: Herder liest der Gruppe Goldsmith’s The Vicar of Wakefield vor [G: Triumph des Guten über das Böse ohne Frömmelei oder Pedantismus weil mit Ironie, so einer der je besten Romane!]; dieser Roman als Einführung zu seinem ganz ähnlichen Liebesverhältnis zu Friederike, das er mit einer Posse beginnt. (506ff)

Bd.2 - Dritter Teil, 11. bis 15. Buch
In Sessenheim bei Friederike und ihrer Familie. Leidenschaftslose Promotion Aug. 1771 in Geschichte/Staatsrecht (II-28ff); Schöpflin, ein ‘vorzüglicher Mann’ stirbt einen Tag später (II-33); Koch und Oberlin seine Schüler (35), beide Freunde von J.D. Salzmann, der die Tischgesellschaft leitete (36f).
Franzosen und ihre Haltung, positiv u. negative, französisch sprechenden Fremden gegenüber (38ff), sein Kritik der franz. Literatur, auch Voltaire, als veraltet (43ff); sein Vergleich der Enzyklopädie mit einer ‘scharrenden und rasselnden Fabrik’ (47) fühlt sich mit Diderot so verwandt, dass er ihn einen ‘wahren Deutschen’ nennt, er u. Rousseau, beide, leiten die Revolution ein (48).

‘Die höchste Aufgabe einer jeden Kunst ist, durch den Schein die Täuschung einer höheren Wirklichkeit zu geben. Ein falsches Bestreben aber ist, den Schein so lange zu verwirklichen, bis endlich nur ein gemeines Wirkliche übrig bleibt.’ Bühnenbeispiele (48). [Kann ich dem zustimmen?]

Système de la Nature (50ff): G und seinem Kreis wird es ‘hohl und leer’ beim lesen. Begeisterung für Shakespeare (53). Über J.M.R. Lenz (56f): ‘talentvoll, seltsam, „whimsical“.

Seine Leidenschaft zu Friederike beginnt ihn zu ängstigen - diese mit einer Bombe vergleichend, die zu den Sternen aufsteigt, dann zurückfallend Verderben bringt (59f). Abschied von Friederike [sie wird nie heiraten]

Münstertürme (61f); Antikensaal in Mannheim (62f)

12. Buch: zurück in Frankfurt - durch die Brüder Schlosser trifft er Johann Heinrich Merck (69f), der einen großen Einfluß auf ihn haben wird; er charakterisiert ihn als treffend u. scharf urteilend, doch leicht Menschen hämisch behandelnd. Der Darmstädter Kreis. Arbeitet am Faust und Götz von Berlichingen. (71); in seiner Arbeit über das Straßburger Münster hätte er seine einfachen Gedanken ‘in eine Staubwolke von Phrasen verhüllt’ (72); wieder biblische Studien: seine Auslegung (72ff). Über Johann Georg Hamann (77ff): seine sibyllinischen Schriften, nur in den Briefen deutlich - kein Verlangen, ihn zu treffen.
Über Autoren und ihre Verleger: oft Wechselseitige Großmut und Dankbarkeit, doch Buchhändler wurden reich, die Autoren blieben ärmlich. Der beliebte Klopstock bot seine Gelehrtenrepublik auf Subskription an, ein ‘seltsamer Erfolg’, da das Buch für meiste Leser ‘versiegelt’ blieb: so blieb es ein dem Autor aber nicht dem Publikum gelungenes Unternehmen (83) und der Versuch konnte nicht wiederholt werden. Eine Lösung: die ‘Musenalmanache’ (85).

Friederike: es schmerzt ihn, dass er sie aufs Tiefste verwundet hatte; Versuch, seinen Schmerz auf die verschiedensten Weisen zu überwinden: Wanderungen, Reiten, Schlittschuhlaufen bis in die Nacht.

(90) 1772 - G in Wetzlar zum Studium der Zeit des Götz v. Berlichingen vor allem an der Entwicklungsgeschichte des Kammergerichts. Kaiser u. Stände; Schwierigkeiten durch Personalmangel, Korruption. Die ‘Rittertafel’ in Wetzlar (99). Friedrich Wilhelm Gotter : klar, heiter, talentvoll (101f); über Freiheit in Krieg und Frieden: löblich, doch kann zu unglücklichen Folgen führen, wenn gegen die Obrigkeit/Fürsten gerichtet - sein Ziel dies zu schildern im Götz v. B. (102ff). Zwiespältige Haltung zu den nordischen Mythen, liebt den Humor darin (105).
G: Der Künstler braucht Lebenserfahrung und Selbsterkenntnis um Bedeutendes zu schaffen! (109)
Über seine Gemütsverfassung die zum Werther führt (110ff)
Schilderung Lottes und ihr Bräutigam über mehrere Seiten (111-114) ohne ihren Namen zu nennen - die 3 werden unzertrennlich.
Erstes Treffen - verkleidet! - mit Ludwig Höpfner, Prof. der Rechte in Gießen (116ff), auch Merck und Schlosser zur Gründung der ‘Frankfurter gelehrten Anzeigen’ (120)
Eifersucht auf Schlosser, der seine Schwester heiraten möchte (123)
Merken, zu seinem Verdruss, ist gleichgültig gegen Lotte (126); er fürchtet seine wachsende Leidenschaft und flüchtet.

13. Buch: Wanderung der Lahn abwärts um mit Merck Sophie von La Roche in Koblenz zu treffen. Leuchsenring liest Korrespondenzen vor (130f).Er wendet sich wieder bildender Kunst zu und zeichnet während der Rückfahrt den Rhein aufwärts (136). Über Theater und Sittlichkeit in England, Frankreich, Deutschland; was Lessing sich leisten kann (in Emilia Galotti) wird bei einem Großmann - oder sollte es Großmaul heißen? - zur „Pöbelküche“ (144). Entstehung des Götz (144ff); Merck wohlwollend zur 1. Fassung, Herder spöttisch; 2. Fassung auf Vorschlag Merckens im Selbstdruck; Aufnahme beim Publikum (150ff)
Zur Entstehung des Werthers: G’s Eigenheit ein Selbstgespräch zum Zwiegespräch umzubilden, dieses Ähnlichkeit mit Briefwechsel (152f); über Lebensüberdruss (154). Die Absonderung des Sinnlichen vom Sittlichen in der kultivierten Welt [?] bringt nichts Gutes (155). Moralität, Tugend u. Fehler in bitterer englischer Literatur, die die menschliche Natur untergraben (158), zum Lebensüberdruss u. Selbstmord verleiten, den Grund zu der großen Wirkung Werthers („eines kranken jugendlichen Wahns“) legen /160). Er selbst ist von Selbstmordgedanken befallen, wünscht sich durch eine Arbeit zu befreien, doch dazu musste verschiedenes zusammenkommen (162ff), dass ihm die Glut giebt, die ‘keine Unterscheidung zwischen dem Dichterischen und dem Wirklichen zuläßt’ (164).Er schreibt den Werther in 4 Wochen. Der Werther entzündet eine ‘Explosion’ weil ‘ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam’ (167) und nur der Stoff beachtet wird. Die Freunde verdrießen ihn mit dem Wunsch zu wissen, was daran wahr sei (170f). Die staatsbürgerlichen Schriften des Justus Möser seien ein Ansporn für die Jugend (175).

12. Buch: zurück in Frankfurt - durch die Brüder Schlosser trifft er Johann Heinrich Merck (69f), der einen großen Einfluß auf ihn haben wird; er charakterisiert ihn als treffend u. scharf urteilend, doch leicht Menschen hämisch behandelnd. Der Darmstädter Kreis. Arbeitet am Faust und Götz von Berlichingen. (71); in seiner Arbeit über das Straßburger Münster hätte er seine einfachen Gedanken ‘in eine Staubwolke von Phrasen verhüllt’ (72); wieder biblische Studien: seine Auslegung (72ff). Über Johann Georg Hamann (77ff): seine sibyllinischen Schriften, nur in den Briefen deutlich - kein Verlangen, ihn zu treffen.
Über Autoren und ihre Verleger: oft Wechselseitige Großmut und Dankbarkeit, doch Buchhändler wurden reich, die Autoren blieben ärmlich. Der beliebte Klopstock bot seine Gelehrtenrepublik auf Subskription an, ein ‘seltsamer Erfolg’, da das Buch für meiste Leser ‘versiegelt’ blieb: so blieb es ein dem Autor aber nicht dem Publikum gelungenes Unternehmen (83) und der Versuch konnte nicht wiederholt werden. Eine Lösung: die ‘Musenalmanache’ (85).

Friederike: es schmerzt ihn, dass er sie aufs Tiefste verwundet hatte; Versuch, seinen Schmerz auf die verschiedensten Weisen zu überwinden: Wanderungen, Reiten, Schlittschuhlaufen bis in die Nacht.

(90) 1772 - G in Wetzlar zum Studium der Zeit des Götz v. Berlichingen vor allem an der Entwicklungsgeschichte des Kammergerichts. Kaiser u. Stände; Schwierigkeiten durch Personalmangel, Korruption. Die ‘Rittertafel’ in Wetzlar (99). Friedrich Wilhelm Gotter : klar, heiter, talentvoll (101f); über Freiheit in Krieg und Frieden: löblich, doch kann zu unglücklichen Folgen führen, wenn gegen die Obrigkeit/Fürsten gerichtet - sein Ziel dies zu schildern im Götz v. B. (102ff). Zwiespältige Haltung zu den nordischen Mythen, liebt den Humor darin (105).
G: Der Künstler braucht Lebenserfahrung und Selbsterkenntnis um Bedeutendes zu schaffen! (109)
Über seine Gemütsverfassung die zum Werther führt (110ff)
Schilderung Lottes und ihr Bräutigam über mehrere Seiten (111-114) ohne ihren Namen zu nennen - die 3 werden unzertrennlich.
Erstes Treffen - verkleidet! - mit Ludwig Höpfner, Prof. der Rechte in Gießen (116ff), auch Merck und Schlosser zur Gründung der ‘Frankfurter gelehrten Anzeigen’ (120)
Eifersucht auf Schlosser, der seine Schwester heiraten möchte (123)
Merken, zu seinem Verdruss, ist gleichgültig gegen Lotte (126); er fürchtet seine wachsende Leidenschaft und flüchtet.

13. Buch: Wanderung der Lahn abwärts um mit Merck Sophie von La Roche in Koblenz zu treffen. Leuchsenring liest Korrespondenzen vor (130f).Er wendet sich wieder bildender Kunst zu und zeichnet während der Rückfahrt den Rhein aufwärts (136). Über Theater und Sittlichkeit in England, Frankreich, Deutschland; was Lessing sich leisten kann (in Emilia Galotti) wird bei einem Großmann - oder sollte es Großmaul heißen? - zur „Pöbelküche“ (144). Entstehung des Götz (144ff); Merck wohlwollend zur 1. Fassung, Herder spöttisch; 2. Fassung auf Vorschlag Merckens im Selbstdruck; Aufnahme beim Publikum (150ff)
Zur Entstehung des Werthers: G’s Eigenheit ein Selbstgespräch zum Zwiegespräch umzubilden, dieses Ähnlichkeit mit Briefwechsel (152f); über Lebensüberdruss (154). Die Absonderung des Sinnlichen vom Sittlichen in der kultivierten Welt [?] bringt nichts Gutes (155). Moralität, Tugend u. Fehler in bitterer englischer Literatur, die die menschliche Natur untergraben (158), zum Lebensüberdruss u. Selbstmord verleiten, den Grund zu der großen Wirkung Werthers („eines kranken jugendlichen Wahns“) legen /160). Er selbst ist von Selbstmordgedanken befallen, wünscht sich durch eine Arbeit zu befreien, doch dazu musste verschiedenes zusammenkommen (162ff), dass ihm die Glut giebt, die ‘keine Unterscheidung zwischen dem Dichterischen und dem Wirklichen zuläßt’ (164).Er schreibt den Werther in 4 Wochen. Der Werther entzündet eine ‘Explosion’ weil ‘ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam’ (167) und nur der Stoff beachtet wird. Die Freunde verdrießen ihn mit dem Wunsch zu wissen, was daran wahr sei (170f). Die staatsbürgerlichen Schriften des Justus Möser seien ein Ansporn für die Jugend (175).

Vierter Teil, 16. Buch: Spinoza: Mensch — Natur (265ff). G’s Lösung zu Raubdrucken: sein Geld zu verdienen, aber nicht mit Gedichten (268ff). Rückblick auf die Jugend, die im „glücklichen Selbstgefühl“ die Umwelt, im besten Falle zum Guten, gestalten möchte, z.B. bei einem Feuer in der Judengasse hilft G nicht achtend seiner vornehmen Kleidung eine geordnete Lösch-Schlange zu formen (271f). Ambivalente Haltung zu der Aufmerksamkeit, die ihn sein früher Erfolg brachte.
1775: Jung-Stilling ist Gast bei den Eltern während er eine - misslingende - Augenoperation durchführt (275ff)

17. Buch: Lili : „Herz, mein Herz, was soll das geben…“; das schöne Haus in Offenbach am Main, Johann André und die Oper (287), Pfarrer Ewald (288, 292); „Sie kommt nicht“ (zu ihrer Geburtstags-feier, 294f); Verlobung von einer tüchtigen Freundin unterstützt, dann die Zweifel: kein Familienzusammenhang: andere Religion, andere Sitten, berufliche Unsicherheit, … (301-305).
Sein Behagen an der deutschen Klassengesellschaft - jedem nach seinem Stande wie Götz (305ff); Brief Ulrichs von Hutten an Willibald Pirckheimer : Edelleute sollen sich durch eigenen Verdienst adeln, nicht auf dem der Vorfahren ruhen und nicht auf niedrig geborene herabsehen, die hohen Verdienst u. Adel erworben haben. (311ff) Die allseits befriedigenden Verhältnisse in Frankfurt.

18. Buch: Zu formalen Neuerungen in der Poesie (315f). Abriss eines „tollen Fratzenwesen - Hanswursts Hochzeit“ (318-20). Die Grafen Stolberg laden ihn ein, sie auf einer Reise in die Schweiz zu begleiten; Merck: „Daß du mit diesen Burschen ziehst, ist ein dumme Streich“. (320-24). Die Schwester, mit Schlosser verheiratet in einer Einöde lebend, rät ihm ab, Lili in ein sie einschränkendes Haus zu bringen (331). Bei Lavater in Zürich, zur Mitarbeit an der zu tadelnde Ausgabe (333) seiner Physiognomik . Besuch bei Johann Jakob Bodmer (335), lobt Bodmers Portrait von Anton Graff (337). Wanderung mit Passavant nach Kloster Einsiedeln (339; Juli 1775): Schwyz - Lauerzer See - Rigi - Vitznau- Wasen - Teufelsbrücke - Hospiz

19. Buch: Empfang im Hospiz. Blick nach Italien; P. möchte hinunter wandern - G weigert sich, möchte ins heimische zurück, weil er Lili nicht entbehren kann. Rückkehr deshalb nicht heiter. Unzufriedenheit mit seinen Landschaftsskizzen. Zürich: Die Stolbergs hatten Zürich verlassen müssen (353), da ihr „wildes unchristliches Naturell“ (nacktes Baden) „einen Skandal in der schweizerischen löblichen Ordnung anrichtete.“ Lavater wußte zu beschwichtigen und G zensierte ein Fragment seines Werthers Reisen
(355). Lavater: Abriss und Kritik seiner Arbeiten und Persönlichkeit (356-364); Fragmente aus Lavaters Physiognomie: Beschreibung zweier Jünglinge (G und ?, 364-369). Quälendes Wiedersehen mit Lili: „Ihr verblühet, süße Rosen, / Meine Liebe trug euch nicht: / …“ ; von solchen Gedichten durfte der Vater nichts merken, er spornte ihn an, dem Götz ähnliches zu schreiben (i.e. Wendepunkte der Staatengeschichte; in Götz: „ein tüchtiger Mann, der untergeht in dem Wahn, zu Zeiten der Anarchie sei der wohlwollende Kräftige von Bedeutung“, in Egmont: feste Zustände, die an der Despotie zerbrachen).

20. Buch: Der Künstler Georg Melchior Kraus, aus Paris kommend, sucht ihn auf; durch ihn, Anregung zum zeichnen (378). Über seine wechselnden Ideen des Übersinnlichen und was er ‘dämonisches Wesen’ nennt, das sich in Menschen aber auch in Tieren manifestieren kann (380-84). Einladung nach Weimar und die Geschichte seines beinahe gescheiterten Aufbruchs, der nur durch eine Kette von Zufällen gerettet wurde.
__________________

War es wert die Arbeit eines Monats, sich durch dieses ‘Gestrüpp’ durchzuackern? Es ein ‘Gestrüpp’ zu nennen, ist nicht ganz unberechtigt: die (groben) Notizen, die ich mir machte, zeigen es und viele Kleinigkeiten blieben unerwähnt. Doch G’s viele persönliche Begegnungen geben einen Abriss der deutschen intellektuellen Landschaft in den 1770iger Jahren, wenn auch nur ein Gerüst, das zu weiterem Studium anregen kann. Im Rückblick ist es dies, mehr noch als persöhnliche Anekdoten, das den Gewinn des Lesens ausmachte. (V-21)
 
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MeisterPfriem | 3 weitere Rezensionen | May 30, 2021 |
Band 1: Gedichte - 1'152 Seiten
Band 2: West-Östlicher Divan, Epen, Maximen und Reflexionen - 672 Seiten
Band 3: Lustspiele Singspiele Satiren - Dramatische Zeit- und Gelegenheitsdichtungen - 1'056 Seiten
Band 4: Frühe Dramen Bruchstücke Übersetzungen und Bearbeitungen - 928 Seiten
Band 5: Die grossen Dramen - 784 Seiten
Band 6: Erzählende Dichtungen I - 687 Seiten
Band 7: Erzählende Dichtungen II - 720 Seiten
Band 8: Autobiographische Schriften I - 863 Seiten
Band 9: Autobiographische Schriften II - 528 Seiten
Band 10: Autobiographische Schriften III - 528 Seiten
 
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resi68 | Dec 28, 2020 |
Faust. Der Tragödie zweiter Teil in fünf Akten (auch Faust. Der Tragödie zweiter Teil oder kurz Faust II) ist die Fortsetzung von Johann Wolfgang von Goethes Faust I.

Nachdem Goethe seit der Fertigstellung des ersten Teils im Jahr 1805 zwanzig Jahre lang nicht mehr am Fauststoff gearbeitet hatte, erweiterte er ab 1825 bis Sommer 1831 frühere Notizen zum zweiten Teil der Tragödie. Das Werk wurde 1832, einige Monate nach Goethes Tod, veröffentlicht.
 
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Fredo68 | 9 weitere Rezensionen | May 14, 2020 |
Faust. Eine Tragödie. (auch Faust. Der Tragödie erster Teil oder kurz Faust I) von Johann Wolfgang von Goethe gilt als das bedeutendste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur. Die 1808 veröffentlichte Tragödie greift die Geschichte des historischen Doktor Faustus auf und wird in Faust II zu einer Menschheitsparabel ausgeweitet.
 
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Fredo68 | 38 weitere Rezensionen | May 14, 2020 |
 
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AndreLorenz | Aug 29, 2016 |
Was soll man über ein Buch noch schreiben, über das schon so viel geschrieben wurde? Außer vielleicht, dass man es den Schülerinnen und Schülern heute nicht mehr unbedingt aufzwingen sollte. Grund meines Lesens war die Vermutung, dass sowohl Tex Rubinowitz ("Irma") als auch Arno Geiger (Selbstportrait mit Flusspferd) Anlehnung an Goethe genommen haben. Und nach der Lektüre finde ich, dass dieser Verdacht nicht unbegründet ist, auch wenn die Anlehnungen vermutlich nicht bewusst gemacht wurden (aber was weiß man schon, was in einem Autor vorgeht).
 
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koanmi | 126 weitere Rezensionen | May 10, 2015 |
 
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MeisterPfriem | Jun 19, 2013 |
Ein Epos in zwölf Gesängen, besser es sich anzuhören als zu lesen – vor allem Erich Ponto zuzuhören ist ein Vergnügen! – auch wenn auf die Hälfte gekürzt, oder gerade deswegen, denn die Kürze kommt dem Werke zugute. Ein Werk voll Ironie. Eine Ironie die akzeptiert: so ist die Welt nun mal. Also kein aufrührerisches Werk! Kein Werk das den Umsturz, selbst wenn nur leise und hintergründig, fordert. Des Königs Platz und Autorität ist niemals angezweifelt.

Ein Lehrgesang. Die Lehre? Dies: mit Lügen und Intriegen kann man zum Ziele kommen und sich durchs Leben schlagen. Mehr noch: sie sind notwendig! Denn der Dumme und Einfältige wird gefressen! Was sagt nun der Dichter? was ist seine „Weisheit damit die Käufer dieses Buches vom Laufe der Welt sich täglich belehren“? Dies: „Zur Weisheit bekehre sich jeder und meide das Böse, verehre die Tugend!“ – Reineke, schlau, nicht weise, meidet das Böse? vermehrt die Tugend? Wirklich? Was ihm schadet ist das Böse, was ihm nützt ist die Tugend: So also vermeidet er das Böse und verehrt die Tugend!

Allerdings: auch Reineke braucht seine Sippe: ohne ihre Hilfe wäre er verlohren. Aber verspottet Goethe hier nicht auch seine einfältigen Zeitgenossen? die die Tugend verehren? Ist es nicht auch ein wenig ein Porträt seiner selbst? Bleibt er nicht seinem Herrscher treu? Beratet er ihn nicht gut? Auch wenn sein Spott den ein wenig gutgläubigen Freund nicht ganz verschont? (VI-13) 4*/5*

Da hab ich doch ein Schreiben erhalten, das die Kühnheit hat, den Meister belehren zu wollen. Damit jederman diese Verwegenheit ermessen kann, füg ich es hier in seiner Gänze - nichts ist ausgelassen, nichts ist beschönigt! - bei:

Lieber Meister Pfriem –
Goethes Reineke Fuchs ist in der Wahrnehmung des lesenden Publikums derart mit dem Namen des Autors verknüpft, dass gewöhnlich übersehen wird, dass es sich –anders als das 3 Jahre später entstandene Versepos Hermann und Dorothea, mit dem zusammen es in den gängigen Goetheausgaben, so auch in der von dir benutzten, erscheint, - nicht um einen originären Text Goethes handelt, der einen ihm vorliegenden Text lediglich in die –bekanntlich etwas schlampige – Versform gebracht hat.
Seine Vorlage war ihrerseits eine von Gottsched vorgenommene Übertragung eines nddt. Textes von 1498 ins Neuhochdeutsche. In dieser Form hat Goethe ihn anlässlich einer Lesung beim Herzog 1782 kennengelernt. Die Überlieferungsgeschichte der Erzählung selbst reicht bis ins 13. Jhdt.
Inhaltlich hat Goethe an der ihm vorliegenden hochdeutschen Prosafassung Gottscheds nichts verändert.
Daher ist Vorsicht geboten beim Entdecken von Anspielungen des großen Meisters auf zeitgenössische Personen und Vorgänge, so naheliegend sie sein mögen.
Andererseits: Dass sie möglich sind, verweist auf die zeitunabhängige Be-Deutsamkeit der Erzählung.
Was die „Lehre“ angeht, so ist eine ähnliche Skepsis angebracht. Zu unterschiedlich sind die in der Überlieferung des Textes gut dokumentierten moralisch-didaktischen Auslegungen – sog. Glossen - je nach konfessioneller Lesart. Auch dies wiederum, die Vieldeutbarkeit, ein Argument für die Qualität der Erzählung.
freundliche Grüße eines aufmerksamen Lesers
rdb/21.06.2013

Noch etwas: Wilhelm von Kaulbach (1805-1874) machte wunderschöne Zeichnungen zu Goethes Reineke Fuchs (der Reineke auf dieser CD ist aus eine dieser übernommen). Hier der link zu einer frühen Buchausgabe: https://hdl.handle.net/2027/nnc1.0315146596½
 
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MeisterPfriem | 2 weitere Rezensionen | Jun 19, 2013 |
Zuerst ist die gewählte Romanform (Briefroman) sehr gewöhnungsbedürftig. Allerdings ist sie nach kurzer Zeit sehr unterhaltsam, da sie die Fantasie anregt, was Wilhelm dem jungen Werther wohl antworten wird. Des weiteren fand ich es sehr interessant zu lesen, wie Freunde, Verlobte und Fremde um 1770 miteinander umgegangen sind. Alles in allem ein gut gelungener Roman.
 
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benjamin103 | 126 weitere Rezensionen | May 28, 2012 |
Der damalige Leiter des Goethe-Archivs in Weimar, Hans Wahl, hat 24 von den mehr als 2000 Zeichnungen Goethes für dieses Bändchen ausgewählt, wohl die bemerkenswerteren aber doch representativ für Goethes gesammte zeichnerische Schaffensperiode, die die Jahre 1776 bis 1810 umspannt. Ohne Vergleich mit den Originalen ist es schwer zu sagen, wie treu die sehr gedämpften Farben, von einem Grünstich bis Sepia, diesen sind. Die Reproduktion erscheint jedoch oft besser als die Wiedergabe in den anspruchsvollleren Ausgaben. Wie alle Bändchen der Insel Bücherei ist es schlicht, doch ansprechend gebunden. Ideal als kleines Geschenk, kann dieses eine erste Einführung zu Goethes zeichnerischem Werk geben. Ich vermisse allerdings Angaben zur Größe und dem Material. (IV-12) ****
 
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MeisterPfriem | Apr 21, 2012 |
This review refers to this edition:
Goethe: Italienische Reise Mit einem Anhang: Reisetagebuch für Frau v. Stein
Theodor Friedrich Hrsg.
Philipp Reclam jun. Leipzig 1921
Sonderabdruck des 12. Bandes von Goethes Sämtlichen Werken des Reclam Verlages

Ausführliche Informationen zur Italienischen Reise findet man hier:
http://www.goethezeitportal.de/wissen/projektepool/goethe-italien.html

Ein Vergleich der Beschreibung im Reisetagebuch und in der Italienische Reise ist interessant, z.B.:
Begegnung mit dem Harfnermädchen (7. Sept. 1786):
„Ich schwätzte alles mit ihr durch“(R.Tb.,199) – wird zu: „Ich sprach sehr viel mit ihr durch“ (It.R.,9).
„... und hatte noch viel Spas mit ihr ehe wir schieden.“ (Tgb. 199) – „und wir schieden im besten Humor.“ (It.R.,9). -: die Natürlichere Sprache im Tgb.
Des Mädchens genaue Beobachtungsgabe: Die Harfe als Barometer.

Über sein Versteckspiel als Unbekannter,Tgb, 197, fehlt in der It. R.: „Herder hat wohl Recht zu sagen: daß ich ein groses Kind bin und bleibe, und jetzt ist mir es so wohl daß ich ohngestraft meinem kindischen Wesen folgen kann.“
Aber umgekehrt, ist das Abenteuer mit den Banditen nicht im Tgb. erwähnt. (26. Okt. 1786, 109-110)

Über Sprache (Gesten, Italienisch, Deutsch): „Sie haben gewiße Lieblings Gesten, die ich mir merken will, und überhaupt üb‘ ich mich sie nachzumachen und will euch in dieser Art Geschichten erzählen, wenn ich zurückkomme ob sie gleich mit der Sprache vieles von ihrer Originalität verlieren, ...“ (Tgb., 4. Oktbr. 1786 Abends)

dazu auch:
„So unübersetzlich sind die Eigenheiten jeder Sprache: denn vom höchsten bis zum tiefsten Wort bezieht sich alles auf Eigentümlichkeiten der Nation, es sei nun in Charakter, Gesinnungen oder Zuständen.“ (It.R., 5. Oktbr. 1786 Nachts)

Ausführliche Notizen zum Palazzo Palagonia (9. April 1787) in den Beilagen aus dem Tagebuch (317-18): Elemente der Tollheit des Prinzen Pallagonia nennt Goethe sie, aber Goethe muss doch fasziniert gewesen sein, hätte er sonst so genaue Aufzeichnungen gemacht? Sogar auch ein Grundriß, der zeigt, wo was aufgestellt ist.

Dort auch anschließend Notizen auf der Fahrt durch Sizilien seiner Beobachtungen zu Steinen, dem Erdboden, Anbau, Bettlern, wilden Pflanzen, Tieren, der nicht ganz fertige Zustand des Tempels zu Segeste („Die Gegend ruht in trauriger Fruchtbarkeit. Alles bebaut und fast nicht bewohnt“).

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MeisterPfriem | 12 weitere Rezensionen | Apr 9, 2012 |
This review refers to this edition:
Goethes Werke, Zehnter Band, Leipzig: Fr. Wilh. Grunow, 1889

Über seine Motive zur Reise:
12.10.1786: ... wie mir alles wieder lieb wird, was mir von Jugend auf wert war! Wie glücklich ...
Und in dem Brief an Herzog Carl August, 25.1.1788: „Die Hauptabsicht meiner Reise war, mich von den physisch-moralischen Übeln zu heilen, die mich in Deutschland quälten und mich zuletzt unbrauchbar machten, sodann den heißen Durst nach wahrer Kunst zu stillen: das erste ist mir ziemlich, das letzte ganz geglückt.“

Bericht September 1787, vorletzter § (511-12) Kenntnis zu erlangen durch Kreativität, Zweifel ob es ihm gelingt

Neapel (27. Feb. 1787):
Andenken an seinen Vater: man kann von ihm sagen, daß er nie ganz unglücklich werden konnte, weil er sich immer wieder nach Neaple dachte. Ich bin nun nach meiner Art ganz stille und mache nur, wenns gar zu toll wird, große, große Augen.
Aufstieg auf den Vesuv (6. März; 236pp); zum Krater zwischen zwei Eruptionen (in der Zeit nicht ganz gelungen).
Pompeji (11. März 1787): Gedanken über die Aschenwolke – gute Beobachtung und Folgerung daraus – nicht weit vom heutigen Wissen : nuage ardente

über seine eigenen Zeichnungen:
G. vermerkt abfällig über seine eigenen Arbeiten : Kniep zeichnete, ich schemaisierte. (3. April 1787, abends; 287) (Kniep wird erstmals den 19.3. erwähnt)
Ein Jahr später schreibt er: Zur bildenden Kunst bin ich zu alt, ob ich also ein bischen mehr oder weniger pfusche ist eins. (Korrespondenz 9. Feb. 1788; 645)
und: Von meinem längeren Aufenthalt in Rom werde ich den Vorteil haben, daß ich auf das Ausüben der bildenden Kunst Verzicht tue. Aber er fühlt sich in seinem Urteilsvermögen sicherer: ... ich habe schon jetzt meinen Wunsch erreicht: in einer Sache, zu der ich mich leidenschaftlich getragen fühle, nicht mehr blind zu tappen. (23. Feb. 1788, 648)

Palazzo Palagonia (9. April 1787): „Der Prinz Palagonia erlaubt seiner Lust und Leidenschaft zu mißgestaltetem, abgeschmacktem Gebilde den freiesten Lauf, und man zeigt ihm viel zu viel Ehre, wenn man ihm nur einen Funken Einbildungskraft zuschreibt.(299).. geschmacklose Denkart“ (303). (siehe auch hier)

Selbstkritik seiner Urteilsfähigkeit (12. April; 308): Daß ich mich in allgemeine Betrachtungen ergehe, ist ein Beweis, daß ich noch nicht viel davon verstehen gelernt habe.
Der Kaufmann über Palagoias Narrheiten (310): sind wir doch alle so! unsere Narrheiten bezahlen wir gar gerne selbst, zu unseren Tugenden sollen andere das Geld hergeben.
Über Existenz und Effekt in Kunst (399): Existenz bei Homer dargestellt, bei uns gewöhnlich Effekt; sie schilderten das Fürchterliche, wir schildern fürchterlich etc.
Optimismus – Pessimismus (An Herder, 17. Mai 1787 (399): je mehr ich die Welt sehe, desto weniger kann ich hoffen, daß die Menschheit je eine weise, kluge, glückliche Masse werden könne.
dazu auch (411): Herder wird gewiß den schönen Traumwunsch der Menschheit, daß es dereinst besser mit ihr werden solle, trefflich ausgeführt haben. Auch, muß ich selbst sagen, halt ich es für wahr, daß die Humanität endlich siegen wird, nur fürcht ich, daß zu gleicher Zeit die Welt ein großes Hospital, und einer des anderen humaner Krankenwärter sein werde.
Über die Geschäftigkeit der Neapolitaner (28. Mai; 411pp): keiner ist faul.

Namen mit denen G. unbekannte weibliche Personen bedacht:
(erst ab S. 450)
junge hübsche Weibsperson (451)
die italienischen Mäuschen (30.7.1787; 464)
die als Frauenzimmer verkleideten Kastraten (31.7.87; 465)

seine umständliche Sprache, eigendlich oft garnicht schön:
z.B. 1. Satz der “Störenden Naturbetrachtungen“ (467): Wer an sich erfahren hat, was ein reichhaltiger Gedanke heißen will, er sei nun aus uns selbst entsprungen oder ... etc.

ethmologisches Spiel (579): „[Sie finden,] daß alle Völker versucht haben, sich dem inneren Sinn gemäß auszudrücken aber oft abgeleitet worden. Demzufolge suchen wir in den Sprachen die Worte auf, die am glücklichsten getroffen sind [... ]; dann verändern wir die Worte, bis sie uns recht dünken [...] auch machen wir Namen für Menschen, untersuchen ob diesem oder jenem sein Name gehöre u.s.w.“

Die Ausgabe von 1921 ended mit der Lateinischen Originalversion der Elegie Ovids. Diese ist hier weggelassen, nur Goethes Übersetzung gebracht, dafür zusätzlich aber noch eine kleine Rückschau, die Seite wohl erst später in Weimar hinzugefügt.

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MeisterPfriem | 12 weitere Rezensionen | Apr 9, 2012 |
Lohnt sich zu lesen.
 
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jenbe | 26 weitere Rezensionen | Oct 18, 2011 |
Dieses Büchlein ist klein und süß. Die Worte Goethes sind voller Wahrhaftigkeit und geben Kraft im Trubel und Wirrwarr des Lebens.½
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LousivonLousberg | Jun 29, 2011 |
habe ich damals in der Schule gelesen und gefiel mir im Gegensatz zu den meisten meiner Mitschüler sehr!!; das Buch bedeutet mir bis heute sehr viel; Werther, der mit dem Überschwang seiner Empfindungenund Gefühle nicht umzugehen weiß und sich am Ende das Leben nimmt; hatte mich damals sehr beschäftigt und das Ende sehr mitgenommen; fand die moderne Verfilmug klasse!!
 
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AnnaMicheelis | 126 weitere Rezensionen | Apr 10, 2011 |
Goethes Italienische Reise ist ein Lebenswerk, das aus sehr unmittelbaren Aufzeichnungen (Tagebücher 1786), virtuos gestaltender Redaktion (1814-16) und erinnerndem Fragmentieren (1829) unendlich langsam geworden ist. Dieses Buch kann daher weder Reiseführer noch, wie Günter Grass einmal meinte, Volksbuch sein; doch wird es dem, der Reise als Erfahrung begreift, aufgrund seines ursprünglichen Reichtums immer neu etwas zu sagen haben.
Quelle: Amazon.de
 
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hbwiesbaden | 12 weitere Rezensionen | Jan 9, 2011 |
Als Ausdruck radikaler, leidenschaftlicher Subjektivität schlug Goethes Briefroman eine ganze Generation von Lesern in seinen Bann und verkörpert wie kein anderer Erzähltext die emotionale Kompromisslosigkeit des Sturm und Drang.
Entstehung: Als Goethe 1772 in Wetzlar arbeitete, befreundete er sich mit Johann Christian Kestner und warb vergeblich um dessen Braut Charlotte Buff (1753–1828). Auf der abrupten Heimkehr nach Frankfurt erfasste ihn eine Leidenschaft für die junge Maximiliane La Roche. Am 30.10. erschoss sich der unglücklich verliebte Legationssekretär Carl Wilhelm Jerusalem in Wetzlar mit einer von Kestner geliehenen Waffe. Als der Frankfurter Kaufmann Peter Brentano Maximiliane heiratete, war dies für Goethe ein letzter Anlass, der ihn 1774 zur spontanen Niederschrift des Werks innerhalb von vier Wochen trieb. Er betrachtete es als künstlerischen Befreiungsschlag, das ihn aus dem »stürmischen Elemente« gerettet habe. In einer 1787 erscheinenden Neufassung, die Goethe, da er selbst kein authentisches Exemplar mehr besaß, auf der Grundlage eines unrechtmäßigen Nachdrucks herstellte, milderte er den impulsiven Sturm-und-Drang-Stil und arbeitete zwischenzeitliche Erfahrungen ein.
Inhalt: Werther, ein intelligenter, hochsensibler, schwärmerischer junger Mann, schreibt zwischen dem 4.5.1771 und dem 23.12.1772 seinem Freund Wilhelm Briefe aus »Wahlheim«, in denen er ihm sein Innerstes eröffnet, seine Begeisterung über Natur und Liebe, seine Verzweiflung über deren Aussichtslosigkeit und über gesellschaftliche Zurücksetzung. Werther verliebt sich in Lotte, die zumindest seine aus der empfindsamen Literatur gespeiste Gefühlssprache erwidert.
Als ihr Verlobter, der brave Albert, von einer Reise heimkehrt, schließt man Freundschaft, doch Werthers Eifersucht wird, wie seine Briefe verraten, immer drängender. So schlägt die anfangs enthusiastische Stimmung, die ihn auch das ländliche Idyll im Horizont seiner R Homer-Lektüre interpretieren lässt, allmählich um in Pessimismus und Todessehnsucht, symbolisiert durch das Lesen in James McPhersons (1736 bis 1796) Ossian. Als er die Geliebte allein antrifft, kommt es noch einmal zu einer harmonischen Szene; beide sind »fürchterlich« bewegt, ihre Gefühle füreinander sprechen sich in Tränen aus, doch begegnet Lotte Werthers Küssen durch die Flucht ins Nebenzimmer. Der junge Mann schreibt einen Abschiedsbrief, leiht von Albert ein Paar Pistolen, kleidet sich wie beim Kennenlernen Lottes – es ist die nachmals berühmte »Werther«-Tracht mit blauem Frack und gelber Weste – und erschießt sich.
Aufbau: Die zunächst unkommentierte Abfolge von Werthers Briefen erlaubt das unmittelbare Mitempfinden des seelischen Auf und Ab und die Einsicht in seine Verblendung. Der aufsteigenden Linie des 1. Buches mit der Gewitterszene als Gipfel, die zum scheinbaren Einklang der Herzen führt, folgt der Weg in die Katastrophe des 2. Teils. Schließlich schaltet sich der Herausgeber, der zu Beginn das »Büchlein« leidenden Seelen als »Freund« empfohlen hat, mit seinem Bericht ein, um die letzten Tage Werthers zu schildern.
Wirkung: Mit dem Aufbegehren der jungen Generation, dem Recht auf Gefühle statt Vernunft und dem vorrevolutionären Affekt gegen die Ständehierarchie hatte Goethe den Nerv seiner Zeit getroffen; er bezeichnete die Wirkung später als »groß, ja ungeheuer«. Zur Publizität des zunächst anonym veröffentlichten Buchs, die sich auch in Mode und Populärkultur niederschlug, trug der Skandal bei, dass hier ein Selbstmord gerechtfertigt würde, aber auch Neugier auf die authentischen Lebensumstände und Fakten hinter der fiktionalisierten Handlung, weswegen Goethe zeitlebens behelligt wurde. Angeblich kam es als Folge des »Wertherfiebers« (Stichwort R S. 404) sogar zu Nachahmungstaten. Die Kritiker setzten sich mit dem Buch in Abhandlungen oder Parodien auseinander, Trittbrettfahrer und Bewunderer imitierten es in sog. »Wertheriaden«. Goethe blickte 1827 in dem Gedicht Werther auf den »viel beweinten Schatten« zurück. Nach Jahrzehnten erschienen im Ausland noch Bücher, die deutliche Spuren des Vorbilds tragen wie Letzte Briefe des Jacopo Ortis (1802) von Ugo Foscolo (1778–1827) und Obermann (1804) von Étienne Pivert de Senancour (1770–1846). Thomas R Mann griff ein tatsächliches Wiedersehen des alten Goethe mit seiner Jugendliebe auf in Lotte in Weimar (1939). Das Scheitern eines jungen Menschen an der restriktiven Gesellschaft der DDR schilderte Ulrich R Plenzdorf 1972 in seinem Roman Die neuen Leiden des jungen W. A. H.
Quelle: Amazon.de
 
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hbwiesbaden | 126 weitere Rezensionen | Jan 9, 2011 |
Eine wechselnde Liebesbeziehung zwischen vier Menschen, die in eine Katastrophe mündet, wird von Goethe in Bild und Terminologie eines chemischen Prozesses wie eine Versuchsanordnung betrachtet.
Entstehung: Einem von dem schwedischen Chemiker Torbern Bergman 1775 beschriebenen Sachverhalt bezeichnet der Mineraloge Goethe als »Wahlverwandtschaft«, wobei er einer Naturgesetzlichkeit bewusst menschlichen Charakter verleiht: Manche chemische Verbindungen werden durch das Hinzukommen anderer Stoffe aufgelöst, so dass die Elemente neue Verbindungen eingehen. So interpretiert der Roman das Verhalten vierer Personen wie etwas »Anorganisches«, etwas Unausweichliches.
Inhalt: Baron Eduard hat seine Jugendliebe Charlotte geheiratet und kann sich nun der gärtnerisch-architektonischen Umgestaltung seines Landguts widmen. Als er seinen Freund, den Hauptmann Otto, als Dauergast aufnimmt, lädt seine Frau aus Vorahnung ihre unschuldig-jugendliche Nichte Ottilie ein. Dem Titel entsprechend, entstehen zwei unheilvolle Liebesbeziehungen. Charlotte und Otto versagen sich zunächst ihre Neigung zueinander, während Eduard sich rückhaltlos in Ottilie verliebt. In einer Nacht »doppelten Ehebruchs«, in der beide Ehepartner an den jeweils anderen denken, wird ein Kind gezeugt; die beiden Liebespaare aber gestehen einander ihre Gefühle.
Die Situation ist für alle Personen unhaltbar geworden; Otto reist ab und Eduard zieht in den Krieg, während die zwei Frauen zurückbleiben. Als das Kind von Charlotte geboren wird, fällt seine Ähnlichkeit mit den beiden nur geistig Beteiligten auf. Bei der Heimkehr Eduards entsteht zunächst die Hoffnung, den Konflikt gütlich durch Scheidung zu lösen. Doch bei einer Bootsfahrt, bei der erstmals auch Ottilie ihrer Neigung zu Eduard nachgibt, wird sie schuldig am Ertrinken des Kindes. Sie beschließt, sich von der Welt zurückzuziehen. Als Eduard nicht verzichten und sie aus dem Pensionat zurückholen will, hungert sie sich zu Tode. Sie gewinnt die Aura einer Märtyrerin und wird mit dem kurz darauf gestorbenen Eduard in der Gutskapelle bestattet.
Aufbau: »Gleichnisreden sind artig und unterhaltend, und wer spielt nicht gern mit Ähnlichkeiten«, so erläutert Charlotte selbst die symbolische Bauart des Romans. Die innere Verwandtschaft und Anfälligkeit der Figuren für die Attraktivität des jeweils anderen zeigt sich schon in der drei Vornamen gemeinsamen Silbe »ott«. Die symmetrische Konstruktion, dem Weimarer Klassizismus entsprechend, wird auch formal eingehalten: Beide Teile, die Komplikation (bis zur Abreise der Männer) und die Katastrophe umfassend, enthalten je 18 Kapitel; in der zweiten Hälfte sind Auszüge aus Ottiliens Tagebuch verwendet.
Goethes Geschick zeigt sich besonders in dem Ausgleich zwischen vorhersagbarem Verhängnis und dem schleichenden Entstehen der Leidenschaften. Er veranschaulicht den Gegensatz zwischen der moralischen Forderung, einer Leidenschaft aus Freiheit zu entsagen, und der naturgesetzlichen Dämonie, der sich der schwächere Mensch nicht widersetzen kann. Ottilie, obgleich selbst zurückhaltend, wird in die Viererbeziehung verstrickt und muss in ihr untergehen. Den negativen Ausgang deuten zahlreiche Todessymbole vom Beginn der zweiten Romanhälfte an. Besucher, ein Paar, das in »wilder Ehe« lebt, Charlottes Tochter, dienen als Kontrastfiguren und Katalysatoren.
Wirkung: Das Zerbrechen der Ehe erscheint zugleich symptomatisch für den funktionslos gewordenen Landadel, was dessen schreibende Angehörige, z. B. Achim von R Arnim, erkannten. Als Beziehungsroman sind Die Wahlverwandtschaften ein Vorläufer zahlreicher Texte um die Jahrhundertwende (u. a. die Romane von Theodor R Fontane); gerade die im Bereich des Realen angesiedelte, aber stark allegorische Handlung lässt das Buch nicht nur formal modern wirken, sondern bietet Anknüpfungspunkte etwa für Walter R Benjamin, der 1925 den Satz: »Die Hoffnung fuhr wie ein Stern, der vom Himmel fällt, über ihre Häupter weg«, so deutete, dass die »letzte Hoffnung niemals dem eine ist, der sie hegt, sondern jenen allein, für die sie gehegt wird«. A.H.
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hbwiesbaden | 24 weitere Rezensionen | Jan 9, 2011 |
Die Wahlverwandtschaften (1809)

Nach langen Jahren wieder gelesen. Erinnere wenig. Zu Anfang, in der Anhäufung von Adjectiven in der Beschreibung der Landschaft, stößt die Sprache mich ab, so im 3ten Kapitel (1. Teil): (p.200, 1. §): die Teiche sind ausgebreitet, die Hügel bewachsen, die Felsen steil, die Formen bedeutend, der Bach stark, das Ruheplätzchen freundlich, ...
Und wie häßlich klingt mir das altertümliche Wort ´Frauenzimmer´ !, obwohl dies sicherlich nicht für Goethe der Fall war (Zur Etymologie und Gebrauch bei Goethe: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm und Goethe-Wörterbuch . Ursprünglich eine Bezeichnung für das herrschaftliche Zimmer reserviert für Frauen, dann wurde es zu einem Sammelbegriff für alle Frauen vornehmen als auch geringen Standes die dort verkehren, dann bezeichnet es, wie bei Goethe, Einzelpersonen ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung, schließlich erhielt es einen abschätzigen Sinn).

Doch schöne Sprache später, z.B. hier (13tes Kapitel, 1. Teil - wie wahr auch!):
'So setzten alle zusammen, jeder auf seine Weise, das tägliche Leben fort, mit und ohne Nachdenken; alles scheint seinen gewöhnlichen Gang zu gehen, wie man auch in ungeheuern Fällen, wo alles auf dem Spiele steht, noch immer so fort lebt, als wenn von nichts die Rede wäre.'

Wir und der Erzähler - er schließt den Leser in dem ´wir´des ersten Satzes ein –also: wir beobachten die Personen wie Kreaturen unter der Lupe, Kreaturen, die in einer anderen Welt, wenig ähnlich der unseres täglichen Lebens, leben, „removed from the debasements of ordinary life” (Said) – ihre Wechselbeziehungen zueinander, ein Zusammenkommen, ein Abstoßen, bewußt und ausdrücklich konstruiert wie ein chemisches Experiment.
Der Erzähler schaut in den Kopf einer jeden Person (Charlotte, Eduard, Ottilie, der Hauptmann-245, der Graf-260, die Baronesse-267, der Architekt-328, 374, der Gehilfe-381, Mittler-310,392, der englische Lord). Er kennt und beschreibt ihre Gedanken.

Wie man in einem physikalisches Experiment das zu untersuchende Phenomen isoliert, so isoliert Goethe die Hauptpersonen weitgehend von ihrer sozialen Umwelt (Ausnahme: das Richtfest); sie werden als ökonomisch und politisch unabhängig dargestellt. Der einzige soziale Druck (Zwang währe ein zu starkes Wort) ist der der herrschenden Moral und so spielen sich dann auch die dramatische Konflickte zwischen ihr und den individuellen Leidenschaften ab.

Er fragt sich: wie werden sich diese Personen, denen ich diese Charaktere gegeben habe, verhalten, wenn ihnen ein Unglück geschieht? Zum Beispiel stellt Goethe die durch eine Verkettung von - nicht ganz Zufällen - sondern eher von Handlungen, die aus dem jeweiligen Character entspringen, schuldig gewordenen auf die Probe (II. Teil, Kapitel 14 ): Wir werden Zeugen und beobachten kühl wie jede Person reagiert. Dass der Unfall wenig realistisch dargestellt ist, stört mich wenig: die Entwicklung der Idee ist wichtig, nicht eine realistische Beschreibung einer Handlung. Aber der Preis scheint mir, dass ein mitfühlendes Erleben der Tragik mir schwerfällt.

In dem 7ten Kapitel des II. Teils legt Goethe eine Philosophie der Erziehung, d.h. einer standesgemäßen Erziehung! dem Gehilfen aus der Pension in den Mund: „Man erziehe die Knaben zu Dienern und die Mädchen zu Müttern“ (379). Zu untersuchen wäre inwieweit dies auch Goethes Meinung ist.

Und doch: der Roman fesselt mich. Warum? Es fällt mir schwer, es zu sagen und gerade dieses verstärkt es noch.
Ist es die Kühnheit derzeit, Personen darzustellen, die ausschliesslich ihren Leidenschaften leben? Die versuchen, sich über herrschende Moralvorschriften hinwegsetzen und letztlich doch daran zerbrechen? Die Unerbittlichkeit, obwohl konstruiert, im Ablauf der Handlung?
Ist es die Sprache, wenn sie knapp und karg wird?
Die kleinen philosophischen, doch manchmal ins Banale gleitenden Weisheiten des Erzählers?
Ist es der kunstvolle Aufbau mit eingeflochtenden Tagebucheintragungen, einer Novelle?
Oder ist es gerade das: dass mir oft beim lesen ein Widerspruch kommt?

Der Roman wird der klassischen deutschen Literatur zugeordnet. Er kann aber kaum klassisch im kermodischem Sinne bezeichnet werden, nach der die Essenz der Klassik eine Flexibilität sei, die jeder Generation eine Neuinterpretation erlaube ('being patient of interpretation’) wie es z.B. Don Quixote oder King Lear erlauben. (VII-10)
 
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MeisterPfriem | Aug 1, 2010 |
Das einzig Gute hieran war wohl das ach so 'tragische' Ende. Gottverdammt sei dank ist dieser Idiot gestorben (dafür der zusätzliche halbe Stern).½
 
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pinkscape | 126 weitere Rezensionen | Jul 13, 2010 |
Ich mag die Jazz- und Weltmusikcombo Quadro Nuevo sehr, seitdem ich im Frühling auf einem Konzert war. Da erzählten sie auch von den Aufnahmen zum Hörbuch "Goethes italienische Reise" mit Ulrich Tukur. Als ich das in der Bücherei sah, nahm ich es dann auch gleich mit. Das ist ein Hörbuch, das man gern im Auto hört, wenn man über Land fährt. Goethes Texte, untermalt und umrahmt von Musik, die mit bekannten italienischen Motiven, manchmal nahe am 50er Jahre Kitsch, spielt, und dann doch ganz was Eigenes draus macht. Die Reise Goethes wird plastisch, Italien rückt nahe, ich konnte mir alles sehr gut vorstellen. Ganz nebenbei macht man sich auch noch den einen oder anderen Gedanken über das Verhältnis des Meisters zu Frauen (krass), zum Leben und überhaupt. Eine schöne Sommer-CD. Die Band ist übrigens auch live ein absoluter Genuss.½
 
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Wassilissa | Jul 6, 2010 |
Goethe's größtes und weltweit bekanntestes Werk ist auch ein absoluter Höhepunkt der deutschen Sprache. Die Verse lesen sich fließend, in einem wunderschönen Rhythmus und greifen perfekt ineinander. Ich habe nie verstanden, warum viele Deutsche Deutsch für eine "häßliche" Sprache halten und kann jedem, der ebenso denkt, nur empfehlen, dieses Werk zu lesen; es zeigt deutlich, wie schön und klanvoll unsere Sprache sein kann.

Neben der Sprache ist auch die Geschichte, die im ersten Teil von Faust erzählt wird, ergreifend. Sie regt zum Nachdenken an und berührt. Von den vielen Etappen, die in Faust durchlaufen werden, hinterließ die Gretchen Tragödie den größten Eindruck bei mir. Ein Grund, warum diese so sehr berührt, könnte sein, dass Goethe - so glaubt man heute jedenfalls - eigene Erfahrungen in seiner Vergangenheit (wo er Teil eines Prozesses war, bei dem eine Frau nach dem Mord an ihrem unehelichen Kind zum Tode verurteilt wurde) damit verarbeiten wollte.
Über moralischen Fragen, die z.b. in der Gretchen Tragödie aufgeworfen werden, steht ganz klar die Frage nach der Religion. (Die sogenannte Gretchenfrage „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?")
Welcher ist der richtige Weg? Finden wir zu Gott (zurück)? Werden wir erlöst?

Am Ende läuft es darauf hinaus, ob der Herr recht behalten wird, wenn er sagt: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst."
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Shoean | 38 weitere Rezensionen | Sep 21, 2009 |